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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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des
Palastes, als Blanka am frühen Morgen ihre Ansprache hielt. Strategisch
verteilte Schreier gaben jedes ihrer Worte an die fernab Stehenden weiter. Alle
vernahmen, dass der junge König in einen Hinterhalt geraten und sein Leben
bedroht sei.
    »Wollt ihr eurem König zu Hilfe kommen?«, fragte Blanka zum
Schluss ihrer kurzen Rede.
    Tausendstimmiger Jubel brach aus.
    »Gott schütze euch!«, rief Blanka in die Menge, die unverzüglich
aufbrach.
    Von den Zinnen des Palastes aus beobachteten Blanka und Clara, wie
sich eine immer längere und breiter werdende Menschenschlange mit wehenden
Bannern gen Süden bewegte. Zu Tränen gerührt, wandte sich Blanka an ihre
Freundin und fragte: »Wie kann ich es diesen guten Leuten je danken, dass sie
mir in der Not so selbstlos beistehen?«
    Das, dachte Clara voller Freude, das ist der Unterschied zwischen
Blanka und den Baronen. Das ist der Grund, weshalb ich immer noch hier bin.
    Sehr schnell bekamen die Barone Wind vom Aufbruch der Pariser, von
einer sich nahenden größtenteils unbewaffneten Streitmacht des Volkes, der sich
unterwegs immer mehr Bürger anschlossen. Das machte ihnen Angst, genau, wie
Theobald prophezeit hatte; wo sie sich mit ihresgleichen ein erbittertes
Gefecht geliefert hätten, sahen sie sich außerstande, der Übermacht der von
ihnen ansonsten missachteten kleinen Leute irgendetwas entgegenzusetzen. Ebenso
gut hätten sie gegen das Meer kämpfen können.
    Mauclerc schäumte. Er war so nah am Ziel gewesen, nur einen weiteren
Tag, und die Burg Montlhéry wäre gefallen, der König getötet oder festgesetzt
worden und das Ende der Königin danach ein leichtes Spiel gewesen.
    Irgendjemand hatte ihm mit dieser unverschämten Aktion einen Strich
durch die Rechnung gemacht. Er glaubte zu ahnen, wer hinter dem Auszug der Pariser
aus Paris steckte: der elende Graf von Champagne.
    Es wurde Zeit, diesen Troubadour und seine königliche Buhle zu
vernichten. Das Schwert hatte sich als stumpf erwiesen; jetzt musste die Feder
bemüht werden. Mauclerc rief also seinen Freund Savary de Mauléon zu Hilfe, den
einstigen Seneschall des englischen Königs Heinrich, der als Troubadour fast so
berühmt wie Theobald war.
    »Ich bestelle einen Gesang«, sagte er ihm, »der an allen Höfen und
vor allem auch in allen Gassen Frankreichs ertönen soll. Der die Wahrheit über
die Frau verbreitet, die den Königsthron besetzt hält. Nimm dir meinetwegen den
Reinhart-Roman zum Vorbild, den jetzt alle lesen, nenne die Dame Hersent, die
böse Wölfin des Isegrim. Und dann schreibst du Folgendes …«
    Wenige Wochen später erreichte das Schmähgedicht auch den
Cité-Palast in Paris.
    Kreidebleich las Blanka den Text. Dann warf sie ihn zur Seite und
blickte Theobald nachdenklich an.
    »Ist es möglich, dass mein Volk das glauben wird? Dass ich dich
zum Mord an meinem Mann angestiftet habe, damit ich mich im Königsgemach mit
dir auf ekelhafte Weise suhlen kann? Dass ich das Staatsvermögen vergeude,
weil ich dir riesige Geschenke mache und meinen armen Sohn dafür darben
lasse? Dass du der heimliche Herrscher dieses Landes bist, weil ich dir in
meiner weiblichen Schwäche verfallen bin? Dir?«
    Theobald war während ihrer Rede hochrot geworden.
    »Herrin …«, stammelte er.
    »Lass gut sein, Theobald. Ich weiß, dass du meinen Ludwig nicht
vergiftet haben kannst, weiß aber auch, dass dieses üble Gerücht auf ewig an
dir haften bleiben wird. Aber ich darf nicht zulassen, dass von diesen
widerlichen Worten über mich auch nur ein einziges überlebt. Wer es wagt, sie
zu wiederholen, auf Marktplätzen oder in Herbergen zu singen oder sich auch nur
in Andeutungen darüber zu ergehen, wird augenblicklich wegen
Majestätsbeleidigung angeklagt und zum Tode verurteilt! Sorge dafür, dass
dieser Befehl ausgeführt wird!«
    Sie schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Hast du eine Ahnung, wer der Verfasser dieser Gemeinheit ist?«
    Theobald mühte sich um Sammlung. Die Vorstellung, sich mit der Königin auf ekelhafte Weise in ihrem Gemach
zu suhlen, hatte ihn ungemein erregt. Das Gedicht war in wohlgesetzten
Versen geschrieben und trug die Handschrift eines hoch geschätzten Troubadours.
    »Es kann nur von Savary stammen«, sagte er und setzte hinzu: »Von
jenem Räuberhauptmann, der auch zu der Verschwörung gehört. Schade, dass er
seine Gabe auf ein so übles Machwerk vergeudet.«
    Blanka seufzte. »Dieses Gedicht ist der Auftakt zu einem weiteren
Streich. Mauclerc wird sich einen neuen

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