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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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zwischen den
Welten zu pendeln, sich von jeder das zu nehmen, was ihr gerade
angemessen schien, sich von jeder Wallung in Besitz nehmen zu lassen! Keinen
Tag länger durfte sie sich den Einflüsterungen Satans aussetzen! Sie musste
lernen, diese zu erkennen und von Gottes wirklichem Willen zu unterscheiden.
Das soeben Erlebte hatte ihr deutlich vor Augen geführt, wohin sie gehörte.
    »Zu den guten Menschen«, flüsterte sie, als lege sie ein Gelöbnis
ab. »Ich bin jetzt eine Credens.«
    Sie zog sich gänzlich aus, nahm eine Bürste vom Tisch und
bearbeitete damit ihren Leib, bis er gerötet war. Dann schüttete sie das
restliche Wasser aus der Kanne in eine saubere Schüssel, nahm einen Lappen und
wusch sorgfältig jede Stelle, die sie an ihrem Körper erreichen konnte. Nackt
stellte sie sich vor den langen schmalen Spiegel, der am Morgen das Bildnis der
perfekt geschmückten Königin zurückgeworfen hatte.
    »Ich bin eine Credens«, wiederholte sie. »Herr, so wie du die drei
Könige geleitet hast, so geleite auch mich. Herr, ich trete vor dich, wie ich
geboren …«
    Sie brach ab. Nein, so war sie nicht geboren, so war sie erst in den
vergangenen Jahren geworden. Ihr Blick glitt über die vollen Brüste hinunter zu
dem Dreieck, das ihre Scham verhüllte. Und weil sie so geworden war, hatte sich
Satan in Theobalds Gestalt ihrer bemächtigt. Und sie hatte es zugelassen.
    Solches durfte nie wieder geschehen! Clara warf einen Blick auf
die kleine Truhe, die jene Garderobe enthielt, die sie vom Hof in Paris nach
Reims mitgebracht hatte. Sie musste sie nicht öffnen, um zu wissen, dass kein
einziges schwarzes Kleid darin steckte. Aber genau das brauchte sie jetzt. Nie
wieder wollte sie helle, mit bunten Steinen gesäumte Kleider tragen. Nie wieder
würde sie Erbsenpaste auf ihr Gesicht schmieren.
    Tränen rannen ihr die Wangen hinunter, als sie in der Truhe nach
einer schlichten Tunika wühlte, die sie in dieser Nacht tragen wollte. Aber
dort fand sie nur feine Stoffe. »Irgendwann werde ich mit Gottes Hilfe als
Perfecta Satans Nachstellungen entkommen«, schluchzte sie, während sie ihre
feuchte Kleidung wieder überstreifte und sich auf den nackten Boden bettete.

  3  
Aufbruch
    Unbegreiflich seid Ihr
Und habt doch einen so hellen Namen.
    Aus einem Lied für Blanka
von Theobald IV . von Champagne

März 1226
    W o sind wir hier? Was sind das für Frauen?«,
flüsterte Blanka Clara beunruhigt zu. Sie drückte das kleine Bündel in ihren
Armen fester an ihre Brust und zog sich gleichzeitig mit einer Hand das
schwarze Tuch tiefer ins Gesicht. In dieser unwirtlichen Umgebung reute es sie,
auf Claras Vorschlag eingegangen zu sein, bei deren Freundinnen , wer immer
die auch sein mochten, um Hilfe für ihr todkrankes Kind nachzusuchen.
    »Wir sind bei guten Leuten«, flüsterte Clara zurück. »Sehr bewandert
in der Heilkunst. Wenn deinem kleinen Karl überhaupt zu helfen ist, dann hier.«
    Blanka mühte sich, in der halb
dunklen Scheune die Gesichter der vier Frauen auszumachen. Doch die lagen
ebenfalls im Schatten dunkler, um den Kopf gehängter Tücher. Hexen, dachte
Blanka entgeistert, Clara hat mich zu einer Hexenversammlung geschleppt. Die
heilen keine kleinen Kinder, die fressen oder opfern sie dem Bösen! Wie nur
konnte meine Clara in eine solch finstere Gesellschaft geraten? Sind diese
Frauen schuld daran, dass sie nur noch Kleidung in trostlos gedämpften Farben
trägt? Dass sie den Saal verlässt, wenn die Spielleute ihre Instrumente
stimmen? Was ist mit Clara geschehen? Wie nur konnte ich zustimmen, sie
hierherzubegleiten!
    »Lass uns schnell wieder gehen«, flüsterte sie Clara zu. »Ich habe
kein Vertrauen, zumal hier nicht einmal ein Kreuz hängt.«
    »Gott kann dir auch ohne Jesu Schmerzensholz helfen«, gab Clara
zurück. »Ärzte und Priester haben deinen kleinen Karl aufgegeben und ihm dem
Herrn im Himmel anvertraut. Sie haben dir keine Hoffnung gelassen. Was hast du
denn noch zu verlieren?«
    Ein weiteres Kind, schoss es Blanka durch den Kopf. Tränen traten
ihr in die Augen.
    »Was mag euch hierherführen?«, fragte eine ältere Frau. Die
bleierne Betonung der Vokale verriet ihre Herkunft aus einem Land im fernen
Südosten.
    Clara antwortete: »Der Sohn meiner lieben Freundin wurde vor etwas
weniger als einem Mond geboren. Er ist schwer krank und dem Tode geweiht. Wir
wissen nicht, was ihm fehlt, und meine Freundin ist außer sich vor Kummer.
Könnt ihr ihn euch ansehen? Könnt ihr ihm bitte

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