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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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der Kardinal. »Die
Erscheinung währte kaum einen Augenblick, und jeder von uns Erbärmlichen
zweifelte für sich an seinem Sinneseindruck. Doch dann blutete an just jenem
Abend eine Hostie …«
    Frangipani brach ab.
    Überwältigt schwiegen alle. Der Kardinal räusperte sich, schüttelte
den Kopf, als müsste er jetzt einer angemessenen Hingabe zugunsten einer
Notwendigkeit entsagen, und bemerkte nüchtern: »Was hat Graf Raimund schon
dagegenzusetzen? Seine Anhänger fallen von ihm ab. Ihr werdet sehen, in
vierzig Tagen ist Okzitanien gänzlich Euer. Dann werdet Ihr – wie Euer Vorfahr
Karl der Große – über ein gewaltiges Reich gebieten sowie über wichtige Häfen
am Mittelmeer.«
    Blanka sah nicht die geringste Möglichkeit, Ludwig von diesem
Kreuzzug abzuhalten. Zu verlockend war das Angebot aus Rom, und zu groß wäre
sein Gesichtsverlust, schlüge er es aus. Ludwig versprach also, im Mai mit
seinem Heer aufzubrechen. Blanka nickte zu jedem Satz, da jegliche Widerrede
sinnlos erschien. Und doch war sie fest entschlossen, ihr Gelübde einzuhalten.
Um ihre Clara zu schützen, die mit Felizian jetzt schon längst unterwegs gen
Süden war. Gott würde ihr einen Weg weisen müssen. Er sprach nicht nur mit dem
Heiligen Vater. Frankreichs Königin bekreuzigte sich.
    »Graf Theobald von Champagne«, kündigte die Kammerfrau
Anfang Mai mit gedehnter Stimme einen Besucher an. Blanka blickte überrascht
auf.
    »Was ist sein Begehr?«
    »Er wünscht Euren Segen, bevor er in Bourges zum König stößt und
dort gleichfalls das Kreuz nimmt.«
    »Er soll warten.«
    Seit seiner Vertreibung vom Hof drei Jahre zuvor hatte Blanka mit
dem Grafen von Champagne nicht mehr gesprochen. Er fehlte ihr, und sie freute
sich darauf, ihn wiederzusehen.
    Die Erinnerung an Königin Ingeborgs Warnung war zwar nicht
verblasst, aber alle Nachrichten, die sie über Theobald erhalten hatte,
deuteten darauf hin, dass der junge Mann viel von seinem Übermut abgestreift
hatte, sich seinen Verantwortungen in der Champagne stellte, mittlerweile keine
Verbindungen mehr zu königsfeindlichen Gruppen unterhielt und hervorragende
Verse verfasste.
    Ludwig war allerdings immer noch nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen.
Er hatte ihn nicht ausgezeichnet, als ihn Theobald zwei Jahre zuvor bei der
Eroberung von La Rochelle gegen die Engländer tatkräftig unterstützt hatte. Wie
ein enttäuschter Liebhaber hatte sich Theobald daraufhin von seinem König
losgesagt und sich zwielichtigen Baronen wie Peter von Braine, dem Graf von
Bretagne, den man Mauclerc – den bösen Geistlichen – nannte und Hugo X . von Lusignan angeschlossen, die ihren Lehnsadel als
Bedrohung der eigenen Macht auffassten. Obwohl sie Ludwig bei seinem Krieg gegen
England unterstützt hatten, tadelten sie ihn öffentlich dafür, seine Herrschaft
ausgeweitet und ihre Rechte beschnitten zu haben.
    Du siehst, Ingeborg hatte recht: Er schadet uns, erinnerte sich Blanka jetzt an die damaligen Worte ihres Gemahls.
Aber Theobald war inzwischen geläutert; die Berichte der Kundschafter
ließen daran keinen Zweifel. Und wenn er zudem nun bereit war, den König auf
seinem Kreuzzug zu unterstützen, drückte das seinen Wunsch aus, wieder in
Gnaden aufgenommen zu werden.
    Das wahre Wesen einer Königin sollte Großherzigkeit sein, entschied
Blanka. Und der Schaden hatte sich schließlich in erträglichen Grenzen
gehalten. Ingeborgs Prophezeiungen trafen zwar stets irgendwie ein, aber in
vielen Fällen hatte sich hinterher gezeigt,
dass sie mit der Gewichtung nicht richtig lag. So hatte sich manch
angekündigter Sturm mit angeblich verheerenden Folgen als kleines Unwetter mit
ein paar unbedeutenden Überschwemmungen gezeigt. Und die von ihr vorhergesagte
Verschwörung gegen das Königshaus hatte sich als Wirtshausgerede einiger
unzufriedener unbedeutender Barone herausgestellt. So hatte auch Theobald ihnen
nicht wirklich geschadet, sich nur als ungezogener Lehnsherr gebärdet. Wie ein
schlechter Hofhund hatte er zur falschen Zeit gebellt.
    Was schlimm genug war. Deshalb würde sie ihn nicht wie früher in
ihren privaten Gemächern, sondern auf ihrem Thron sitzend im Königssaal
empfangen. Er sollte nicht glauben, sein früheres Benehmen wäre ihm gänzlich
vergeben worden.
    Schon an der Tür drohten Theobald die Knie schwach zu werden. Die
Herrin war im Laufe der vergangenen drei Jahre noch schöner geworden und ihre
gebieterische Stimme, die ihn vom Ende des langen Saals zu sich her

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