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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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begleitet hatte. Doch die fremden
Ritter brachen in Hohngelächter aus.
    »Ja, gewiss, und ich bin Honorius III .,
der Heilige Vater, der Bischof von Rom!«, warf der Hüne ebenfalls lachend in
das Johlen der Männer ein. »Gute Frau, lasst Euch einen Schlafplatz anweisen.
Wir wollen nicht über Eure Amtsanmaßung richten. Ihr seid übermüdet. Und
verwirrt durch Euren niederträchtigen Begleiter.«
    Theobald sprang auf, wurde aber sofort wieder auf den Tisch
gedrückt.
    »Sie ist, wer sie sagt, dass sie ist!«, rief er. »Und sie reist in
geheimer Mission. Erweist der Königin von Gottes Gnaden eure Achtung!«
    Der Hüne versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
    »Schweig, Verräter! Wie kann diese Frau die Königin sein, da wir
deren Zug doch erst gestern begegnet sind! Auf dem Weg nach Clermont, wo sich
ihr Gemahl beim Bischof erholt. Prächtig herausgeputzt saß sie auf ihrem
Zelter. Wir alle sind vor ihr in die Knie gegangen!«
    »Wo war das?«, fragte Blanka rasch.
    »Eine halbe Tagesreise südwestlich von hier«, gab der Mann zurück,
»aber was kümmert das dich?«
    »Führt mich augenblicklich hin!«, befahl Blanka mit blitzenden
Augen. Bevor das Gelächter wieder anschwoll, setzte sie rasch hinzu: »Ich
werde es Euch reichlich lohnen!«
    »Die feine Dame aus der Champagne möge schweigen und sich
augenblicklich entfernen!«, herrschte der Hüne sie an. »Ansonsten sähe ich
mich gezwungen …«, er dehnte die Stimme und musterte Blanka genauer, »… das
treffliche Weib schon vor dem Eintreffen des Königs in der Champagne auf meine
Weise zu verwüsten.«
    Die fremden Ritter lauschten erheitert dem Wortwechsel, und so
entging ihnen, wie sich Theobald durch Blicke mit seinen Männern verständigte.
Auch seine Bewacher hatten nur Augen für die schöne Pilgerin. Was den Grafen
von Champagne normalerweise zu heiligem Zorn hingerissen hätte, machte er sich
jetzt zunutze. Auf sein kaum merkliches Kopfnicken hin sprangen alle
gleichzeitig auf, schlugen auf die fremden Ritter ein und griffen nach ihren Waffen.
    »Raus!«, schrie Theobald in Blankas und Claras Richtung. Er sprang
hoch, ergriff den Kienspanleuchter über seinem Kopf, stieß sich vom Tisch ab,
trat mit den Füßen mehreren verblüfften Rittern in die Gesichter und landete
krachend mit dem heruntergerissenen Leuchter unmittelbar vor der Tür, durch
welche die beiden Frauen soeben geflüchtet waren. Er überließ es seinen
Männern, sich mit den anderen ein neues Gefecht zu liefern, stürzte hinaus,
schwang sich auf das Pferd, das Clara zu ihm hinscheuchte, und rief den
aufsitzenden Frauen zu: »Folgt mir!«
    Es gab keine Zeit zum Nachdenken. Die Ritter in der Herberge, die
sich treu zu König Ludwig bekannt hatten, waren in diesem Augenblick auch
Blankas Feinde. Mit Clara an ihrer Seite jagte sie Theobald in der anbrechenden
Dämmerung zur Römerstraße hinterher. Die tief
stehende Sonne blendete sie derart, dass sie die Augen schloss und ihrem
Pferd die Orientierung überließ.
    An einer Weggabelung mitten in einem Pinienwald zügelte Theobald
seinen Hengst und rief Blanka und ihrem kleinen Gefolge zu, sich zwischen den
Bäumen zu verbergen und dort auf ihn und seine Männer zu warten. Er wolle
zurückreiten, um seine Leute zu unterstützen, sagte er und sprengte davon.
    Und um Blanka keine Erklärung abgeben zu müssen, dachte Clara, immer
noch entsetzt über die soeben vernommene Offenbarung. Also um sie zu retten und
um ihr die Briefe Blankas auszuhändigen, hatte sich Theobald mit dem König
überworfen! Und hatte damit auch Felizian, Etienne und die Katharer aus Carcassonne
in den Tod getrieben. Wer mochte denn angesichts dieser Tatsachen noch daran
zweifeln, dass die Geschicke der Welt nicht von einem gütigen Gott, sondern vom
Herrn der Finsternis gelenkt wurden?
    Mehr oder weniger gebeutelt stießen nach und nach alle Männer von
Theobalds Schar zu den Wartenden im Pinienwald.
    Ganz zum Schluss erschien der Graf von Champagne. Er näherte sich
mit erhobenem Schwert, auf das er etwas aufgespießt hatte. Einen schrecklichen
Augenblick lang dachte Clara, seine Waffe hätte ein Kind durchbohrt. Sie
blickte in sein lachendes Gesicht, das ihr mit einem Mal entsetzlich fremd
vorkam. Vor ihrem geistigen Auge sah sie des Königs Heer, mordend und so
höhnisch lachend wie Theobald jetzt und zuvor die Männer in der Herberge durchs
Katharerland reiten.
    »Ich habe noch einen kleinen Ausflug ins Küchenhaus unternommen«,
rief der Graf und deutete auf

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