Die Katze, die den Braten roch.
verziert war. Das Erdgeschoß des Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert war an eine Versicherungs- und eine Immobilienfirma vermietet; die beiden oberen Stockwerke hatte man in einen viktorianischen Palast verwandelt. Qwilleran war schon einmal dort gewesen und hatte Maggies fünf Katzen kennen gelernt, die nach bekannten Frauen benannt waren: Sarah, Charlotte, Carrie, Flora und Maria.
Bei ihrer Ankunft fragte er Polly: »Sollen wir unser Leben riskieren und über die Vordertreppe hinaufgehen?« Die altmodische Treppe war steil und schmal, und die ohnehin nicht tiefen Trittflächen der Stufen wurden durch den dicken Teppich noch schmaler, dessen Rosenmuster das Auge überdies verwirrte.
»Nehmen wir den Hintereingang und fahren wir mit dem Aufzug hinauf«, antwortete Polly. »Ich bin noch nicht bereit, mir den Hals zu brechen.«
Der Aufzug glitt langsam und ruhig in den ersten Stock und entließ die beiden Passagiere in ein großzügiges Foyer. Polly flüsterte: »Eingerichtet von Amanda Goodwinter«, und Qwilleran murmelte: »Das merkt man.«
Das Foyer war zwei Stockwerke hoch. Eine Holztreppe führte ins Obergeschoß, und im Treppenhaus hing ein riesiger Kronleuchter. Er bestand aus einer wahren Kaskade von Kristall- und Amethystanhängern, die angeblich die mystische Kraft besaßen, den Menschen ihre Energie zurückzugeben.
Die Gastgeberin begrüßte ihre Gäste in einem schwarzen Samtkleid und mit dem berühmten diamanten- und perlenbesetzten Sprenkle-Halsband. »Ich stelle mich jeden Morgen ein paar Minuten unter den Kronleuchter, um meine Batterien wieder aufzuladen«, erklärte sie. Tatsächlich besaß sie für ihr Alter eine unglaubliche Vitalität und Begeisterungsfähigkeit.
Auf ihr Drängen hin versuchte es auch Qwilleran, und er verkündete, er könne spüren, wie ihm die Haare zu Berge stünden und sein Schnurrbart sprösse. Polly lehnte mit der Begründung ab, sie hätte es schon einmal probiert und dann drei Nächte lang nicht schlafen können.
Im rosengemusterten Wohnzimmer wurden die Gäste einander vorgestellt. Der Vierte im Bunde war Henry Zoller, bei XYZ Enterprises für die Finanzen zuständig, bis er vor kurzem in den Ruhestand getreten war. Er war ursprünglich Zahnarzt gewesen und wurde in Moose County noch immer Dr. Zoller genannt – aber nur hinter seinem Rücken. Jetzt war er um die 60, distinguiert und sonnengebräunt und in Kleidung, Benehmen und Sprache konservativ.
»Bitte nennen Sie mich Henry«, sagte er. »Maggie hat mir gesagt, ich dürfe Polly und Qwill zu Ihnen sagen. Ich bewundere Sie beide für Ihr fachliches Können. Und, Qwill! Ihre letzte Kolumne über Akronyme… Was Sie da über das Finanzamt geschrieben haben, das in den USA nur noch IRS genannt wird, hat mich wirklich zum Lachen gebracht. Haben Sie viele Reaktionen darauf erhalten?«
»Nur, daß meine letzte Steuererklärung überprüft wird.« Das stimmte natürlich nicht, aber diesen Witz konnte Qwilleran sich nicht verkneifen.
»Auf Ihr Wohl!«, sagte Zoller, nachdem die Aperitifs serviert worden waren.
Sie setzten sich auf rote fransenverzierte Samtsessel, stellten ihre Gläser auf die Marmorplatten von reich verzierten Holztischen und blickten auf rote Wände, an denen ein Vermögen an Ölgemälden hing, die ein Sprenkle-Vorfahre in Paris gekauft hatte.
»Wo sind denn die Damen?«, erkundigte sich Polly nach den fünf wohlgenährten Katzen, die für gewöhnlich auf den fünf Fensterbrettern des Salons zu sitzen pflegten. Qwilleran war aufgefallen, daß auf Maggies schwarzem Samt keine Katzenhaare waren, obwohl sie stets zwanghaft Katzen an sich drückte.
»Sie haben sich in ihr Boudoir im Obergeschoß zurückgezogen«, antwortete sie. Sicher und geschickt lenkte sie das Gespräch vom Großen Sturm, der Book Alley, der Bürger-Feuerwache und sogar der Initiative zur Erhaltung der Bergwerkshütten ab. Statt dessen sprachen sie über Golf, Reisen, Kunstsammeln, Fotografie, Hunderennen in Florida und die besten Restaurants in Chicago.
Die Haushälterin kochte und servierte: Hummercremesuppe, Rinderfilet mit Brokkoli in Sauce, grünen Salat und weiße Schokoladenmousse.
Nach dem Kaffee warteten Qwilleran und Polly 45 Minuten und verabschiedeten sich dann.
Auf dem Heimweg sagte Polly: »Eine halbe Stunde ist zu kurz, um höflich zu sein, und eine Stunde ist zu lang, um noch als angenehmer Gast zu gelten.«
Qwilleran fand ebenfalls, daß sich der Abend ziemlich hingezogen hatte. »Aber das Essen war gut. Was
Weitere Kostenlose Bücher