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Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Titel: Die Katze, die Domino spielte. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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blieb Qwilleran still und reglos sitzen. Und dann erlebte er das Unglaubliche: die Katzen kamen aus dem Haus und spazierten auf das Kaninchen zu. Sie schlichen nicht verstohlen hin, pirschten sich nicht an, nahmen keine feindselige Haltung ein. Sie schauten den Besucher an, und das Kaninchen hielt dem Blick mit zuckender Nase stand. Dann hoppelte es davon.
    Qwilleran trank aus und zog sich dann um. Er zog sich leichte Jeans und ein langärmeliges T-Shirt an und setzte seine gelbe Baseballkappe auf. »Ich bin bald wieder zurück«, sagte er zu den Katzen. Er nahm das Insektenspray und machte sich auf den Weg zum Naturpfad.
    Vor den ›Fünf Augen‹ stand ein Wagen, von dem ein kleines Klavier abgeladen wurde. Lori hatte den Lieferanten die Tür aufgeschlossen, doch die Jalousien waren noch immer heruntergezogen. »Hallo, Qwill!« sagte sie. »Das Hotel leiht ihr ein Klavier. Ist das nicht nett? Sie wird ab diesem Wochenende hier sein.«
    »Waren Sie schon mal auf dem Naturpfad?« fragte er.
    »Dazu hatte ich noch keine Zeit, aber ich habe gehört, er soll sehr schön sein.«
    Der Weg, der zum Naturpfad führte, war seltsam einladend. Er war dick mit Kiefernnadeln bedeckt und nach dem Regen ein wenig schwammig. Auf beiden Seiten standen hohe, gerade Kiefern, durch deren Äste das Sonnenlicht fiel, während die Eichen und die anmutigen Birken schattige Muster auf den Pfad warfen. Immer wieder führten auf der linken Seite kleine Pfade ins Unterholz, die jeweils mit einem Namen markiert waren, der auf eine Schindel oder einen kleinen Felsbrocken gemalt war: SEAGULL INN… ISLAND EXPERIENCE. Ein Stück weiter sah er eine größere Markierung: GRAND ISLAND CLUB – PRIVAT, und danach kamen die schlichten, eleganten Namen von Ferienanwesen wie SEVEN OAKS und THE BIRCHES. Schmalere Pfade, dunkel und wenig einladend, führten in den dichten Wald auf der rechten Seite; ab und zu stand ein Schild mit der Aufschrift BETRETEN VERBOTEN… oder einfach nur HUNDE.
    Qwilleran gab sich erst gar keine Mühe, die Flora und Fauna zu bestimmen. Aus schmerzlicher Erfahrung erkannte er giftigen Efeu, wenn er ihn sah, und er wußte, welche Tierchen lange Ohren und welche buschige Schwänze hatten. Ansonsten war er ein botanischer und zoologischer Analphabet. Er genoß es einfach, im Wald allein mit seinen Gedanken zu sein. Nach dem Regen vom Vortag war sonst niemand unterwegs. Er war in einer eigenen kleinen, grünen Welt, in der es die unglaublichsten Dinge zu sehen und zu hören und ab und zu einen kleinen Stich am Hals zu spüren gab. Immer weiter führte der Pfad. Qwilleran erklomm kleine Hügel und trabte hinunter in bewaldete Rinnen. Einmal fragte er sich: Werde ich darüber tausend Worte schreiben können?
    Schließlich vermischte sich der frische, saftige Duft der grünen Pflanzen mit einem anderen – dem dunklen Moschusgeruch des Sumpflandes. Er besprühte seine Kleidung noch einmal mit Insektenspray. Als er an einem Felsen vorbeikam, auf dem THE PINES stand, wußte er, daß er bald bei der Düne und am Ende des Pfades angelangt sein würde. Er würde noch um die nächste Biegung gehen und sich dann auf den Rückweg machen.
    Als er jedoch um einen großen Strauch herumging, erblickte er plötzlich ein Stück weiter auf dem Pfad einen Geist. Er machte einen Schritt zurück, um nicht gesehen zu werden und die Situation besser einschätzen zu können; dann spähte er vorsichtig durch die Zweige des Strauches. Das Wesen auf dem Pfad war eine Frau… in einem flatternden blaßgrünen Gewand… mit langen, glatten Haaren wie eine Nixe. Einen kurzen Augenblick lang setzten alle Gedanken aus, und er sah ein Wasserwesen vor sich, das der Regen an Land gespült hatte. Die Vorstellung verschwand bald. Diese Frau war real, und sie studierte offenbar die niedrigen Pflanzen. Er ertappte sich bei dem Gedanken: Vorsicht vor giftigem Efeu, meine Dame! Sie beugte sich hinunter, um ein Blatt zu berühren, richtete sich auf, um etwas in ein Buch zu schreiben, wandte sich dann der anderen Seite des Pfades zu und untersuchte ein anderes Exemplar. Eine merkwürdige Tracht für eine Botanikerin, dachte Qwilleran; wenn Polly zum Vogelbeobachten ging, trug sie Wanderschuhe und Jeans. Die Bewegungen der Frau waren graziös, und ihre Kleidung verstärkte den Zauber. Er kam sich vor wie ein Satyr aus einer antiken Sage, der heimlich eine Waldnymphe beobachtete.
    Ein plötzlicher Schrei holte ihn zurück in die Realität. Sie hatte in die bodennahe

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