Die Katze, die für Käse schwärmte
Klingenschoen-Erbes war.
Zum See waren es etwa dreißig Meilen, in Katzenmeilen vielleicht hundertdreißig, obwohl die Katzen in ihrem weich gepolsterten Privatabteil reisten, ihrem Luxus-Tragekorb auf dem Rücksitz. Rücksichtsvollerweise fuhr Qwilleran über die Sandpit Road, um dem Schwerverkehr zu entgehen; die Riesenlaster versetzten Yum Yums empfindlichen Magen in Aufruhr. Beide Katzen hoben forschend die Nasen, als sie an der Cold Turkey Farm vorbeifuhren, und wieder, als sie das Seeufer mit seinem Gemisch von Gerüchen nach Fisch, Möwen und Wasserpflanzen erreichten.
Als der Pfosten mit dem Buchstaben ›K‹ auftauchte – ein Relikt aus der Klingenschoen-Ära –, bogen sie in eine schmale Schotterstraße ein, die sich durch etliche Morgen Wald, uralte Sanddünen hinauf- und hinunter-, und zwischen Eichen, Kiefern und wilden Kirschbäumen hindurchschlängelte. Und da wurde Koko ganz aufgeregt. Er stieß gegen die Wände des engen Tragekorbs und gab ein tiefes Grollen von sich, das seine Gefährtin beunruhigte.
Qwilleran kannte dieses Verhalten – der Kater reagierte empfindlich auf außergewöhnliche Situationen; etwas Ungewöhnliches lag vor ihnen. Er selbst bemerkte frische Reifenspuren und war verärgert, als er entdeckte, daß auf der Lichtung neben seiner Hütte ein anderes Auto geparkt war. Er dachte an freche Eindringlinge, die im See fischten und verbotenerweise am Ufer ein Lagerfeuer machten und Bierdosen ins Gras warfen. Als er neben dem unbefugt abgestellten Wagen parkte, sah er jedoch das hiesige Nummernschild und den Aufkleber einer Autoverleihfirma auf der Heckscheibe des dunkelblauen zweitürigen Autos.
Seine erste Reaktion war sprachlose Ungläubigkeit, die sich dann zu Staunen, Erregung und Triumph steigerte! Was für ein Coup! Gleich würde er dieser Frau von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen! Und er hatte sie in der Falle!
Für Qwilleran bestand kein Zweifel: Die Mieterin des dunkelblauen zweitürigen Wagens mit dem Flughafen-Aufkleber am Heckfenster war die Fremde, über die sich ganz Pickax den Kopf zerbrach. Er würde eine exklusive Story bekommen! Seine Kollegen würden vor Neid grün werden.
Die Türen der Hütte waren nach wie vor abgeschlossen; wahrscheinlich ging sie am Strand spazieren. Die Hütte stand am Gipfel einer hohen Sanddüne mit Blick auf den See, und er trat an den Rand der Düne. Am Fuß der verwitterten Holztreppe zum Strand sah er einen großen Strohhut. Darunter, mit dem Rücken zu ihm, saß eine schwarz gekleidete Gestalt auf einem dieser Aluminium-Klappstühle, die im Haushaltswarengeschäft das ganze Jahr über verkauft werden.
Er brauchte nur einen Augenblick, um zu entscheiden, wie er vorgehen würde. Er würde sie auf keinen Fall erschrecken oder in Verlegenheit bringen; wenn er freundlich war – sie gar einlud –, konnte er nur gewinnen. Auf der Veranda standen bequeme Stühle; im Auto hatte er kalte Getränke sowie zwei Botschafter des guten Willens, die sehr charmant sein konnten – wenn sie wollten.
Als er die Treppe hinunterging, wurde das dumpfe Geräusch seiner Schritte vom Klatschen der Wellen unter ihm und vom Kreischen der Möwen über ihm übertönt. Auf halbem Weg hustete er laut und rief in freundschaftlichem Tonfall: »Hallo, da unten!«
Der Strohhut flog vom Kopf, und eine dunkelhaarige Frau drehte sich um und blickte zu ihm hinauf.
»Guten Tag! Ein schöner Tag, nicht wahr?« sagte er mit der wohlklingenden Stimme, die er in kritischen Situationen einsetzte.
Mit einem Buch in der Hand sprang sie auf. »Meine Entschuldigung! Ich nicht wissen, daß jemand hier wohnen.«
Englisch war nicht ihre Muttersprache; sie hatte einen fremdländischen Akzent, den er bezaubernd fand. »Ist schon okay. Ich wohne in Pickax und bin nur vorbeigekommen, um nachzusehen, ob es Sturmschäden gibt. Wir hatten vor ein paar Tagen einen heftigen Sturm. Was lesen Sie da?« Das war immer eine entwaffnende Frage, wie er aus Erfahrung wußte.
»Kochbuch.« Sie hielt es zum Beweis hoch. »Ich gehe jetzt weg.« Nervös begann sie ihren Stuhl zusammenzuklappen.
»Sie brauchen nicht davonzulaufen. Vielleicht würden Sie gerne auf der Veranda ein Glas Apfelwein trinken. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf den See. Übrigens, ich bin Jim Qwilleran vom Moose County Dingsbums .«
»Ah!« sagte sie erfreut und starrte auf seinen Schnurrbart. »Ich sehe Ihr Bild in der Zeitung… Aber Sie sind zu freundlich.«
»Ganz und gar nicht. Kommen
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