Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Worte mit Bedacht, »er war ein junger Künstler... und sie hielt ihn für vielversprechend... und sie förderte ihn in ihrer Galerie. Er war ihr Protege, könnte man sagen.«
»Mmh-mmh«, sagte Qwilleran wissend. »Wo ist er jetzt? Ich nehme an, er wurde verurteilt.«
»Nein«, sagte Mary langsam. »Er kam nie vor Gericht... Weißt du, er hat ein Geständnis hinterlassen... und dann Selbstmord begangen.«
Als Qwilleran aus dem Blue Dragon herauskam, fühlte er sich viel besser. Koko hatte mit seiner Entdeckung wieder einmal ins Schwarze getroffen. Vierzehn-A war der Schauplatz eines Mordes gewesen. Dieser Kater hatte einen unfehlbaren sechsten Sinn, mit dem er Hinweise auf Verbrechen aufspürte.
Mit dem Grinchman-&-Hills-Gutachten unter dem Arm marschierte Qwilleran flotten Schrittes nach Hause – er brannte darauf, es zu lesen. Um Zeit zu sparen, beschloß er, nicht in ein Restaurant zu gehen, und machte statt dessen einen Sprung ins Carriage House Café und fragte, ob sie auch Speisen zum Mitnehmen hatten.
»Gewöhnlich... haben wir... keinen Straßen verkauf«, sagte die Dame an der Kasse unkonzentriert. Sie starrte auf Qwillerans überdimensionalen Schnurrbart. »Sind Sie nicht vom Fernsehen?«
Mit traurigen Augen unter schweren Lidern sah er sie an und sagte in dem warmen, vollen Tonfall, den er bei solchen Anlässen einsetzte: »In diesem Augenblick spreche ich live – persönlich – mit einer attraktiven Frau hinter einer Registrierkasse über die Möglichkeit, eine Mahlzeit mitzunehmen.«
»Ich werde mal sehen, was ich tun kann«, rief sie über die Schulter zurück und eilte in die Küche. Gleich darauf spähte ein Mann mit langen Haaren und Kochmütze durch ein kleines Fenster in der Küchentür. Qwilleran salutierte freundlich.
Die Kassiererin kam zurück. »Wir haben keine Behälter zum Mitnehmen, aber der Koch richtet Ihnen eine Portion unseres Tagesgerichts her, wenn es Ihnen nichts ausmacht, einen normalen Teller zu tragen. Sie können ihn morgen zurückbringen. Sind Sie mit dem Auto da?«
»Ich bin zu Fuß unterwegs, aber ich habe es nicht weit. Was ist Ihr Tagesgericht?«
»Boeuf Stroganoff.«
»Das klingt sehr verlockend.«
»Wir packen etwas Krautsalat und ein Brötchen in Folie dazu«, bot die Kassiererin an.
Während er seinen Banknotenclip aus der Tasche zog, legte Qwilleran das Gutachten von Grinchman & Hills auf die Theke und merkte, daß die Kassiererin versuchte, es verkehrt herum zu lesen.
»Grinch... man... und... Hills«, las sie laut. »Ist das das Drehbuch für einen Film?« fragte sie mit großen Augen.
»Ja, aber behalten Sie das für sich«, erwiderte er mit gedämpfter Stimme und sah sich nach allen Seiten um. »Es wird ein Film über zwei Kumpel, wie Bonnie und Clyde und Harold und Maude. Ich spiele Grinchman.«
Er gab der glücklichen und aufgeregten Kassiererin ein großzügiges Trinkgeld und ging, unter einem Arm das dicke Gutachten, in der anderen Hand einen Teller mit heißem, mit Folie zugedecktem Essen, auf dem zwei in Folie gewickelte Päckchen lagen. »Ihr Krautsalat und die Brötchen«, sagte die Kassiererin und floß fast über vor Freundlichkeit. »Mach ihm die Tür auf«, rief sie dem Hilfskellner zu.
Qwilleran ging eilig zurück zum Casablanca, wo ihm ein junger Mann die zwei schweren Türen aufhielt und sagte: »Heute gibt’s wohl Abendessen.«
Im Erdgeschoß herrschte die einem späten Montagnachmittag angemessene Aktivität. Die Telefonzelle wurde zum Telefonieren benutzt und nicht, um darin zu trinken oder zu sniffen. Ein älterer Mann ging in einem Gehwagen langsam und äußerst konzentriert den Gang hinunter. Kitty-Baby, die die Witterung des Boeuf Stroganoff aufgenommen hatte, folgte ihm dicht auf den Fersen. In der Nähe des Schreibtisches fuhr ein junger Mann mit einem Mop über den Fußboden. Mrs. Tuttle saß auf ihrem Posten und strickte, und Rupert mit seiner roten Mütze auf dem Kopf lungerte herum. Ungeachtet der Werkzeuge in seiner Jackentasche schien er nie viel zu arbeiten. Unter den Leuten, die auf den Aufzug warteten, waren berufstätige Mieter mit dem typischen abgekämpften Gesichtsausdruck von Menschen, die einen langen Arbeitstag hinter sich haben, die asiatische Mutter mit ihren Kindern, ältere Bewohner, die über die Krankenversicherung lamentierten, und Studenten mit überschäumender jugendlicher Energie, die sich lautstark über Brücken, Professoren und Abschlußprüfungen unterhielten. Wahrscheinlich angehende
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