Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
dort gewohnt? Was für Leute waren das?«
»Nun, Mary sagt, es waren Finanziers, Regierungsbeamte, Eisenbahnmagnate, Richter, reiche Erbinnen – solche Leute. Außerdem gab es Suiten für Mitglieder von königlichen Familien, Opernstars und so weiter, die auf Besuch in die Stadt kamen. Nach dem Börsenkrach 1929 sprangen mehr Leute vom Dach des Casablanca als von irgendeinem anderen Gebäude im Bezirk.«
»Eine besonders eindrucksvolle Auszeichnung«, meinte Qwilleran ironisch. »Ab wann ging es mit dem Haus bergab?«
»Es begann während der Weltwirtschaftskrise. Sie konnten die teuren Wohnungen nicht mehr vermieten, also teilten sie sie auf und zogen Zwischendecken ein – alles, was Kosten einsparte und Mieten brachte.«
»Was können Sie mir über das Bauwerk selbst sagen?«
»Augenblick mal... RUCK hat eine Broschüre herausgegeben, die hier irgendwo sein muß. Wenn Sie solange warten wollen, dann suche ich sie. Ich bin kein sehr ordentlicher Mensch.«
»Lassen Sie sich Zeit«, sagte er. Er hatte sich Notizen gemacht, und während sie die Broschüre suchte, überlegte er sich in groben Zügen, wie er die Sache dem Vorstand des Klingenschoen-Fonds präsentieren wollte; er plante seine Abreise und stellte eine Liste der Leute auf, die benachrichtigt werden mußten.
»Okay, da bin ich wieder. Ich habe sie gefunden. Tut mir leid, daß Sie warten mußten«, sagte Amberina. »Sie war bei meinen Weihnachtskarten.«
»Sind Sie nicht etwas früh dran mit den Weihnachtskarten?«
»Ich habe die Karten vom Vorjahr noch nicht abgeschickt!... Sind Sie soweit? Hier steht, die Außenwände sind mit weißglasierten Ziegeln verkleidet. Das Haus ist im modifizierten maurischen Stil gebaut... Eingangshalle aus Marmor mit persischen Teppichen... Geflieste Mosaikfußböden in den Gängen. Wohnungen schalldicht und feuerfest, Räume vier Meter hoch, dunkles Nußholz. Im obersten Stockwerk ein Restaurant. Ebenso ein Swimmingpool. Wohlgemerkt, so war es 1901. Wie klingt das, Mister Qwilleran?«
»Nicht schlecht! Sie sollten die Penthaus-Wohnung für mich reservieren.«
»Mary sagt, Sie sind Gast von RUCK.«
»Ich kann mir die Miete leisten, aber trotzdem vielen Dank für das Angebot. Wie steht’s mit Parkplätzen?«
»Es gibt einen asphaltierten Parkplatz mit reservierten Plätzen für die Mieter.«
»Und wie sieht es mit Verbrechen aus in Junktown?«
»Nun, wir haben die Flittchen und die Penner und Dealer von der Straße wegbekommen.«
»Wie haben Sie das geschafft?«
»Die Stadtverwaltung hat mitgemacht, weil die Pennimans hinter dem Projekt standen...«
»...und die Stadtverwaltung höhere Steuern witterte«, riet Qwilleran.
»Etwas in der Art. In der Nacht haben wir einen Bürgerwachdienst, und nach Einbruch der Dunkelheit gehen wir natürlich kein Risiko mehr ein.«
»Wie steht’s mit der Sicherheit im Gebäude selbst?«
»Ziemlich gut. Die vordere Eingangstür ist abgesperrt, und es gibt Gegensprechanlagen. Bis vor einem Jahr hatten wir einen Türsteher. Die Seitentür ist abgesperrt, außer bei Notfällen.«
»Offenbar fühlt sich die ältere Frau, der das Haus gehört, sicher genug.«
»Ich nehme es an. Sie hat eine Art Leibwächter, der bei ihr wohnt.«
»Dann ist es also abgemacht. Erwarten Sie mich nächstes Wochenende.«
»Mary wird sich wahnsinnig freuen. Wir bereiten alles für Sie vor.«
»Eine Frage noch, Amberina. Wie viele Leute wissen, daß RUCK mich einlädt hinzukommen?«
»Nun, es war Marys Idee, und sie hat wahrscheinlich mit Robert Maus darüber gesprochen, aber sie wird es nicht herumerzählen. Das ist nicht ihre Art.«
»Gut. Halten wir es weiter so. Posaunen Sie es nicht aus. Offiziell möchte ich dem abscheulichen Schnee und Eis hier im Norden entkommen, und das Casablanca ist das einzige Haus, in dem Katzen erlaubt sind.«
»Okay, ich sage es Mary.«
»Gibt es irgendwelche Dinge, die ich beachten muß, wenn ich ankomme?«
»Läuten Sie nur in der Vorhalle nach der Verwalterin. Wir haben keinen Türsteher mehr, aber der Hauswart wird Ihnen mit Ihrem Gepäck helfen. Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Mister Qwilleran.«
»Was ist mit dem Türsteher passiert?« fragte er.
»Nun ja«, meinte sie bedauernd, »er wurde erschossen.«
Der Seniorpartner der Kanzlei Hasselrich, Bennett & Barter in Pickax, die mit der Rechtsberatung des Klingenschoen-Gedenkfonds betraut war, war ein älterer Herr mit einem etwas krummen Rücken und Hängebäckchen, doch er hatte den unbändigen
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