Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Sie auch mich fotografieren?« antwortete sie gespielt schüchtern.
»Auf jeden Fall. Auf dem Sofa, beim Tee-Einschenken.«
»Das wäre aufregend. Was soll ich anziehen?«
»Sie sehen immer wunderschön aus, egal, was Sie tragen.«
»Haben Sie einen Fotoapparat?«
»Ja, aber dafür ist er nicht gut genug. Ich würde einen professionellen Architekturfotografen engagieren. Er könnte ein paar phantastische Aufnahmen von diesen Räumen machen.«
»Würde er alle Zimmer fotografieren?«
»Alle, die Sie fotografieren lassen wollen.«
»Ach, du liebe Zeit! Ich frage mich, ob mein Vater damit einverstanden wäre.«
Qwilleran machte seinen Vorschlag. »Er wäre begeistert, und es gibt noch etwas, was Ihr Vater sich wünschen würde. Ihm wäre klar, daß alte Gebäude, wie alte Menschen, müde werden. Sie brauchen eine Verjüngungskur. Wenn er hier wäre, dann wüßte er, daß das Casablanca dringend repariert werden muß, vom Dach bis zum Keller.«
Schockiert über diesen Vorschlag faßte sich die Gräfin mit nervös flatternden Händen an ihren Schmuck. »Ich finde meine Suite ganz – ganz zufriedenstellend.«
»Das kommt daher, daß Sie nicht über die Schwelle Ihrer prachtvollen Kupfertüren treten, Zizou. Das mag vielleicht schmerzlich für Sie sein, aber Ihr Palast ist in einem schlechten Zustand, und es gibt Menschen, die glauben, er sollte abgerissen werden.«
Sie versteifte sich. »Das wird nie geschehen!«
»Einige der Leute, die mit Ihnen Bridge spielen, bitten Sie doch, ihnen das Gebäude zu verkaufen, nicht wahr? Wenn Sie es ihnen verkaufen, werden sie es abreißen. Um das Casablanca zu retten, brauchen Sie einen Partner – jemanden, der das Haus genauso liebt wie Sie.« (Vorsicht, dachte er; das hört sich an wie ein Heiratsantrag. Ferdie Le Bull war in der Nähe und lauschte.) »Sie brauchen in finanzieller Hinsicht einen Partner«, fuhr er fort, »der Geld in die Renovierung steckt und das Haus so restauriert, daß es wieder so schön ist wie früher. Ihr Vater wäre sicher für eine Partnerschaft. Als er diesen Palast 1901 erbaute, hatte er einen Architekten als Partner. Ein Partner, der die Restaurierung finanziert, wäre der Beginn eines neuen Lebens für das Casablanca.«
Der Ausdruck in ihren trüben Augen sagte ihm, daß dieser Vorschlag ihr Begriffsvermögen überstieg. Ihr Hirn war auf Scrabble und Wortprämien eingestellt. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Sie zog sich innerlich zurück.
Als wittere er eine Krise, erschien Ferdinand unbeholfen auf der Szene. »Soll ich den Tee bringen?«
Wieder neigte die Gräfin graziös ihren Kopf und sagte mit ihrer Debütantinnenstimme: »Wollen Sie eine Tasse Kamillentee, bevor Sie gehen, Mister Qwillen?«
»Nein, vielen Dank«, sagte er und erhob sich. »Es war ein sehr schöner Abend, aber jetzt muß ich gute Nacht sagen, Miss Plumb.«
Er verbeugte sich und ging hinaus, und der Hausdiener brachte ihn mit finsterer Miene zur Tür.
An seinem Schnurrbart knabbernd, fuhr Qwilleran feudal hinunter ins Erdgeschoß und in der trostlosen Kabine von Old Green wieder hinauf in den vierzehnten Stock. Er ignorierte Koko, der ihn an der Tür begrüßte, und ging direkt zum Telefon und rief Polly Duncan an.
»Ich bin auf die Nase gefallen!« sagte er ohne Einleitung. »Ich habe der Gräfin gegenüber das Thema ›Restaurierung‹ angeschnitten und bin gegen eine Mauer gerannt.«
»Das ist aber ein Jammer«, sagte sie bedauernd, aber nicht wirklich ernsthaft.
»Sie hat seit sechzig Jahren den Kontakt mit der Realität verloren. Sie weiß nicht, was vor sich geht, und sie will es auch nicht wissen. Man kann mit ihr nicht vernünftig reden.«
»Vielleicht solltest du diesen Rückschlag als einen göttlichen Fingerzeig betrachten, der dir sagt, du sollst das Casablanca vergessen und nach Hause kommen.«
»Ich kann nicht so leicht aufgeben. Der Klingenschoen-Fonds hat der Investition heute zugestimmt, und es wäre peinlich...«
»Überschlafe es«, riet Polly. »Morgen wirst du klarer sehen, was du tun sollst, aber ich wünschte, du würdest ernsthaft daran denken, nach Hause zu kommen. Heute haben sie im Radio gesagt, daß es in einem Bürohaus da unten eine Schießerei gegeben hat. Ein Mann hat einen Anwalt und dessen Sekretärin erschossen.«
»Das war ein Angestellter, der sauer war, weil er gefeuert wurde«, erklärte Qwilleran.
»Das nächste Mal könnte es ein Autofahrer sein, dem nicht gefällt, wie du auf der Autobahn die Spur wechselst«, sagte
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