Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Rupert?‹
In diese Überlegungen versunken, fuhr er in der Rosenholz-Kabine hinauf in den zwölften Stock, wo ihm der hünenhafte Ferdinand in seiner korallenroten Jacke die Tür öffnete. »Heut gibt’s kein Hühnerfrikassee«, waren die ersten Worte des Hausdieners. »Es gibt Garnelen. Keine Ahnung, warum. Am Donnerstag gibt’s immer Hühnerfrikassee.«
Die Gastgeberin kam ihm mit ausgestreckten Händen entgegen, den Kopf graziös zur Seite geneigt. Sie hatte den Kopf so viele Jahre graziös zur Seite geneigt, daß jetzt eine Schulter höher war als die andere. Gestern hatte Qwilleran ihre Posen und Marotten für lächerlich gehalten; heute, nachdem er die Legende von Adelaide gehört hatte, sah er in ihr eine mitleiderregende Frau – trotz ihres Hauskleids aus türkisem Chiffon mit dem wehenden Schal und dem eckigen, onyx- und diamantenbesetzten Schmuck.
»Ich freue mich so, Sie wiederzusehen, Mr. Quillen«, sagte sie.
Er nahm auf dem Bibendum-Sessel Platz, und Ferdinand servierte eckige, hochstielige Gläser mit stark verwässertem Grapefruitsaft. Qwilleran hob sein Glas und sagte: »Auf bezaubernde Damen in verzauberten Palästen!«
Die traurige kleine Gräfin neigte dankend ihr Haupt. »Hatten Sie einen interessanten Tag?« fragte sie.
»Ich habe den Tag damit verbracht, mich auf diesen Abend zu freuen und dieses kleine Präsent für Sie auszusuchen.« Er reichte ihr das Samtsäckchen.
Mit einem kleinen Ausruf des Entzückens zog sie die Art-deco-Pillendose heraus. »Oh, vielen Dank, Mr. Qwillen! Das ist Art déco! Ich werde sie in meinem Boudoir aufstellen.«
»Ich dachte, sie würde zu dem phantastischen Ambiente passen, das Sie geschaffen haben. Ist das eine René-Buthaud-Vase auf dem Kaminsims?« prahlte er mit seinem frisch erworbenen Wissen.
»Ja, und sie bedeutet mir unendlich viel. Sie enthält die Asche meines lieben Vaters. Er war ein so gutaussehender und kultivierter Gentleman! Wie gerne nahm er mich mit nach Paris – in die Oper und in Museen und Salons!«
»Haben Sie Gertrude Stein kennengelernt?«
»Wir waren einmal in ihrem Salon. Ich war noch ein sehr junges Mädchen, aber ich erinnere mich, daß ich dort ein paar sehr schneidige junge Männer kennenlernte. Ich glaube, es waren Schriftsteller.«
»Hemingway? Fitzgerald?«
Sie hob in einer graziösen, hilflosen Geste die Hände. »Das ist so lange her. Verzeihen Sie mir, wenn ich mich nicht erinnere.«
In diesem Augenblick erschien die drohende Gestalt Ferdinands und verkündete knurrend: »Das Essen ist angerichtet.«
Es wurde auf eckigem Eßgeschirr auf einem runden Ebenholztisch in einem kreisrunden Speisezimmer serviert, dessen Wände mit schwarzem und türkisfarbenem Holz und Spiegeln verkleidet waren und rundherum von Art-déco-Stehlampen indirekt beleuchtet wurden. Als Hauptspeise gab es Garnelen Newburgh, davor eine Scheibe Leberpastete und danach das Modegericht der zwanziger Jahre, Waldorf-Salat. Dann bereitete Ferdinand mit seinen plumpen Händen in einer Wärmeschüssel fachmännisch ›Bananen Foster‹ zu, wobei seine geringschätzige Miene keinen Zweifel daran ließ, daß das für ihn kein richtiges Essen war.
Die Unterhaltung während des Essens schleppte sich eher mühsam dahin; ihre Stimmen klangen hohl in dem gruftartigen Raum. Qwilleran war erleichtert, als sie in die Bibliothek gingen, um Kaffee zu trinken und Scrabble zu spielen. Hier versetzte er seine Gastgeberin wieder in Erstaunen, indem er punkteträchtige Worte wie YSOP und QUIJOTE bildete und einmal sogar einen Wortwert verdreifachte. Sie war eine gute Spielerin und schien die Herausforderung zu genießen. Am Spieltisch war sie eine andere Frau.
Am Ende sagte sie: »Das war ein überaus unterhaltsamer Abend. Ich hoffe, Sie kommen wieder, Mr. Qwillen.«
»Lassen wir doch die Förmlichkeiten«, sagte er. »Wäre es Ihnen möglich, mich Qwill zu nennen? Das bringt siebzehn Punkte.«
»Ich muß Sie korrigieren«, sagte sie fröhlich. »Sechzehn Punkte.«
»Siebzehn«, beharrte er. »Ich schreibe mich QW.«
»Dann müssen Sie Zizou zu mir sagen, das war der Kosename, den mir mein Vater gab. Er ist zehn Punkte wert!« Sie lachte so ausgelassen, daß Ferdinand besorgt in der Tür erschien.
Qwilleran nutzte ihre gute Laune aus. »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Zizou?« fragte er. »Ich habe gestern erwähnt, daß ich ein Buch über das Casablanca schreiben will. Wären Sie einverstanden, Ihre Wohnung fotografieren zu lassen?«
»Würden
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