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Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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versehentlich auch mal auf einen Katzenschwanz trat. Dann kam er zu dem Schluß, daß Schinken mit Rührei seine Verfassung bessern würde. Doch zuerst schaltete er den Radiosender ein, der rund um die Uhr Nachrichten und Wetter brachte. Er erfuhr, daß an einer hiesigen High-School der siebenunddreißigste Jugendliche erschossen worden war, und es wurde mildes Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit vorausgesagt, was verstärkte Smogbildung zur Folge haben würde.
    Als er beim Verlassen des Casablanca am Schreibtisch der Verwalterin vorbeikam, hörte er im hinteren Teil des Erdgeschosses Lärm – irgend etwas oder irgend jemand wurde mit dem Lastaufzug heruntergebracht. Er blieb stehen und sah zu, wie Sanitäter eilig einen zugedeckten Körper zur Eingangstür trugen.
    »Wer ist das?« fragte er Mrs. Tuttle.
    »Mrs. Button, die gute Seele.«
    »Sie hat gestern abend noch mit mir gesprochen, und sie war in guter Verfassung.«
    »So geht’s. Die Wege des Herrn sind geheimnisvoll. Haben Sie sich schon entschieden, ob Sie jemanden zum Saubermachen wollen, Mister Qwilleran? Mrs. Jasper wäre montags frei.«
    »Okay, schicken Sie sie hinauf«, sagte er.
    »Oh, sehen Sie mal, was wir hier haben!« Old Green war im Erdgeschoß angekommen, und Isabelle Wilburton stieg aus. Sie hielt ein Kätzchen in den Armen – weiß mit rotem Kopf und Schwanz.
    »Ist das nicht das süßeste, lustigste kleine Ding, das Sie je gesehen haben?« schwärmte sie.
    »Ist der süß! Wie wollen Sie ihn denn nennen?« fragte Mrs. Tuttle.
    »Er ist ein Weibchen. Ich werde sie Sweetie Pie nennen. Ich habe sie von den Leuten auf neun-B.«
    »Wie alt ist sie?«
    Qwilleran stahl sich davon und ging frühstücken.
    Er schob den Gedanken an die Gräfin beiseite und verbrachte den größten Teil des Tages damit, einen Beitrag über das Casablanca zu schreiben, der im Moose County Dingsbums erscheinen sollte. Das Problem war: Wie sollte er das Thema den Lesern im Norden glaubwürdig nahebringen, wenn er es selbst kaum glauben konnte? Während er arbeitete, warf er die Katzen aus der Bibliothek – ein feindseliger Akt, auf den Koko mit Entrüstung reagierte. Der Kater strich vor der verschlossenen Tür herum und murrte seinen neuen Laut, »Rrrrrrrrrr«, der tief aus seinem Inneren kam und sich anhörte, als wolle er gleich erbrechen. Nachdem er sich dieses nervtötende Theater eine halbe Stunde lang angehört hatte, riß Qwilleran die Bibliothekstür auf.
    »Was ist los?« wollte er wissen.
    Koko lief ans andere Ende des Vorraums, wo die Glastüren zur Terrasse führten, doch er interessierte sich nicht für draußen, sondern für das blutrünstige Gemälde mit dem Schlachtblock. Er stellte sich auf die Hinterbeine, wackelte mit dem Kopf wie eine Kobra und gab seinen gutturalen Würgelaut von sich.
    »Offen gesagt, geht es mir mit dem Bild genauso«, sagte Qwilleran. Nicht nur, daß das Motiv abstoßend war, das Bild war auch irgendwie provisorisch aufgehängt worden, es hing nicht in der Mitte und zu tief. Ein mißtrauisches Kribbeln auf seiner Oberlippe veranlaßte ihn, das Gemälde vom Haken zu nehmen.
    Sofort streckte sich Koko zu seiner vollen Länge aus und schnüffelte die pilzfarbene Wand ab. Im Vergleich zu den angrenzenden Wänden sah diese hier aus wie frisch gestrichen. Qwilleran untersuchte sie genauer und entdeckte ein paar Unebenheiten, die mit den Fingerspitzen zu tasten waren, und als der Kater einen Buckel machte und mit gesträubtem Schwanz im Kreis zu tänzeln begann, wußte er, daß er die Sache ernst nehmen mußte. Qwilleran nahm den Schirm von einer Tischlampe ab und leuchtete mit der nackten Glühbirne von der Seite auf die Wandoberfläche. Sein Verdacht bestätigte sich. In dem schräg auffallenden Licht hoben sich unter der frischen Farbe grob drei holprige Zeilen mit großen Blockbuchstaben ab.
    VERGIB
    MIR
    DIANE
    Es gab auch eine Unterschrift: zwei R, die mit dem Rücken zueinanderstanden.
    Das war also das Geständnis! Die Hausverwaltung hatte die Wohnung für Qwilleran hergerichtet und es übermalt und zur weiteren Tarnung ein Bild darüber gehängt. Roch Koko die frische Farbe? Oder wußte er, daß sie etwas Interessantes verbarg? Er war ein Meister im Aufspüren von Dingen, die nicht in Ordnung oder nicht an ihrem Platz waren.
    »Du bist ein kluger Bursche«, sagte er zu dem Kater, der in die Küche lief und demonstrativ auf seinen leeren Teller blickte. Als ihm Qwilleran einen Leckerbissen gab, läutete das Telefon, und er nahm

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