Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
wenig Möbel gibt. Sonderanfertigungen haben unglaubliche Lieferzeiten.«
»Die Bäume müssen erst wachsen«, sagte Amber.
Als sich Qwillerans Augen an die schwache Beleuchtung gewöhnt hatten, sah er, daß er in einem mindestens fünfzehn Meter langen Raum war, der so spärlich möbliert war, daß man ihn als Tanzsaal hätte verwenden können. In einer Ecke gab es auf engstem Raum eine Sitzgelegenheit: zwei Sofas, die im rechten Winkel zur Wand standen; darauf lagen fransenbesetzte spanische Decken und Berge von irgendwelchen folkloristischen Kissen. Eigentlich waren die Sofas Armeebetten, wie er später feststellte. Als Cocktailtisch diente ei ne dicke viereckig e Glasplatte auf Betonblöcken; darunter lag ein abgenutzter persischer Teppich, der einzige im ganzen Raum. Drei langstielige weiße Nelken in einer hohen Kristallvase wirkten provokant modern. Bei Kerzenlicht war die Ecke beinahe glanzvol l.
»Sie haben einen neuen Teppich«, bemerkte Amber.
»Ein fast antiker Täbris, meine Liebe – die neueste Erwerbung von Isabelle.«
Erklärend sagte sie zu Qwilleran: »Er meint Isabelle Wilburton. Er räumt systematisch die Wohnung dieser armen Frau aus.«
»Ich sorge dafür, daß die arme Frau nicht auf dem Trockenen sitzt«, sagte Courtney von oben herab. »Vorigen Monat kaufte ich dieses Gemälde über der Anrichte – natürlich ein amerikanisches Werk – wahrscheinlich Hudson-River-Schule. Morgen kommt ein Experte vom Kunstmuseum her und wird unwiderlegbar feststellen, worum es sich dabei handelt.« Die nebelverhangene Landschaft in einem kunstvollen, vergoldeten Rahmen hing über einer Anrichte – eigentlich zwei großen Holzkisten –, auf der ein silbernes Teetablett stand. »Trinken wir alle eine Margarita?«
»Qwill trinkt keinen Alkohol«, sagte Amber.
»Evian?« fragte der Gastgeber.
»Evian geht auch«, sagte Qwilleran, »wenn Sie kein Squunk-Wasser haben.«
Die beiden anderen warfen ihm einen kurzen, fragenden Blick zu. Kein Mensch außerhalb von Moose County hatte je von Squunk-Wasser gehört. Dann wandte sich Courtney an den Mann in der weißen Jacke, der servierte. »Hopkins, bringen Sie uns zwei Margaritas und ein Evian für den Herrn.« Die weiße Jacke verschwand in der Dunkelheit am anderen Ende des Raumes, und der Gastgeber fuhr fort: »Ursprünglich bestand die Suite aus diesem Salon und einem großen Schlafzimmer, in dem es nicht einen einzigen Schrank gab, und einem riesigen Badezimmer. Wo verstauten sie anno 1901 bloß ihre Kleider! Und was taten sie bloß in dem Badezimmer, das soviel Platz einnahm? Zum Glück hat der Richter Schränke und eine Kochnische einbauen lassen.«
Amber sagte zu Qwilleran: »Sie sollten Courts frühere Wohnung sehen. Die war wie eine Gefängniszelle.«
»Courtney!« verbesserte er sie stirnrunzelnd.
Hopkins servierte die Getränke und eine Silberschüssel mit Nüssen; er bewegte sich wie in Trance.
Qwilleran fragte: »Wie war Ihr Kartenspiel Mittwoch abend?«
»Nicht allzu unerträglich, obwohl ich sehr gut auf den Kamillentee und den Kümmelkuchen verzichten könnte. Ich hatte die Gräfin als Partnerin. Wenn man bedenkt, daß sie sich benimmt wie ein Geist aus den zwanziger Jahren, ist sie am Bridgetisch geradezu mörderisch.«
»Wer war sonst noch da?« fragte Amber.
»Winnie Wingfoot und dieser aufdringliche Randy Jupiter. Wahrscheinlich hat er Ferdie bestochen, damit er ihn einlädt«, sagte Courtney mit angewidertem Gesichtsausdruck.
»Ich finde, Randy hat eine starke Persönlichkeit«, sagte Amber zu seiner Verteidigung.
»Eine zu starke Persönlichkeit. Ich traue dieser Sorte Mensc h nicht. Und außerdem joggt er.«
»Sie sind ein solcher Snob, Court.«
»Courtney, bitte!«
»Zumindest ist Randy freundlich und lebendig«, beharrte sie. »Die meisten Leute in diesem Haus sind halb tot.«
Der G astgeber sagte: »Apropos – raten Sie mal, wer heut e gestorben ist?«
»Okay, zwanzig Fragen«, sagte Amber. »War es ein Mann?«
»Nein.«
»Dann war es eine Frau. Hatte sie ein Hörgerät?«
»Nein.«
»War sie über Achtzig?«
»Nein.«
»Über Siebzig?«
»Nein. Sie erraten es nie, Amber.«
»Wohnte sie im siebenten Stock?«
»Nein.«
»Hat sie sich voriges Jahr die Hüfte gebrochen?«
»Geben Sie auf, Amber, Geben Sie auf! Sie erraten es nie«, sagte Courtney. »Laut Madame Defarge – die hinter ihrem kugelsicheren Fenster sitzt und strickt und die Leichen zählt – war das Elpidia, die sie hinausgetragen
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