Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
Vom Netzwerk:
hatte. Die Metallicfarbe, eine Art violettstichiges Blau, war nicht sein Geschmack, doch der Gebrauchtwagenhändler versicherte ihm, diese Farbe – Pflaumenblau – sei ihrer Zeit voraus; sie sei voll im Kommen und würde sich bald allgemeiner Beliebtheit erfreuen.
    »Auf Obst sieht sie besser aus«, bemerkte Qwilleran. Doch der Preis stimmte, und der Benzinverbrauch war angeblich phänomenal niedrig. Qwilleran war trotz seiner geänderten finanziellen Verhältnisse sparsam geblieben, also kaufte er ihn. Diesen Wagen belud er nun für die Vierhundertmeilenreise, die er auf zwei Tagesetappen aufteilen wollte, damit es für die Katzen angenehmer war.
    »Alles einsteigen in den blauen Pflaumenexpreß nach Lockmaster, Paddockville und weiter in den Süden!« sagte er zu seinen beiden widerstrebenden Passagieren. Höchst ungern ließen sie sich in den Tragekorb stecken.
    Als sie von ihrem Heim am Park Circle wegfuhren, verharrte das Paar auf dem Rücksitz in düsterem Schweigen, und so hatte Qwilleran ein paar lange, stille Stunden, in denen er über seine Zeit im Norden nachdenken konnte. Trotz der riesigen Moskitos, des giftigen Efeus, der Stinktiere und des gefährlichen Wildwechsels konnte man in Moose County ein angenehmes Leben führen, und die Menschen waren in Ordnung. Die meisten von ihnen waren hemmungslose Individualisten und unermüdliche Klatschbasen, doch das machte sie für einen Journalisten nur noch interessanter. Wie, so fragte er sich, würde er sich an das Stadtleben gewöhnen, wo jeder eine falsche Konformität zur Schau trug und ängstlich auf seine Privatsphäre bedacht war und nur den eigenen Vorteil im Auge hatte?
    Seine Gedanken wurden von einem fordernden Kreischen auf dem Rücksitz unterbrochen – so laut und so unvermutet, daß er vor Schreck das Lenkrad fester packte, um nicht von der Straße abzukommen. Yum Yum machte lediglich einen Vorschlag. Wie solch ein zartes und sanftes Geschöpf einen so vulgären Schrei ausstoßen konnte, war ihm unbegreiflich – aber der Schrei wirkte. An der nächsten Kreuzung blieb er stehen, machte eine Kaffeepause und ließ die Katzen aus ihrem Tragekorb, damit sie sich strecken, aus dem Fenster blicken, ein paar Schluck Wasser trinken und das Gaspedal untersuchen konnten.
    Nach sechs Stunden Fahrt (Yum Yum mißbilligte es, wenn er schneller als achtzig Stundenkilometer fuhr) hatte Qwilleran an seinen Passagieren nichts auszusetzen. Sie benahmen sich wie reife, kultivierte Reisende. Im Motel – einem nicht gerade luxuriösen Quartier, in dem Haustiere erlaubt waren – schliefen die Katzen die ganze Nacht tief und fest, während Qwilleran von bellenden Hunden, zufallenden Türen und dem Brummen der Eiswürfelmaschine vor seinem Zimmer gestört wurde. Dieses Gerät stand am Fuß einer Holztreppe, über die die Gäste, die im ersten Stock wohnten, ständig auf- und abliefen, wobei sie sich lautstark miteinander unterhielten:
    »Wo ist der Gin?«
    »Im Kofferraum, unter dem Reservereifen!«
    »Ich kann die Erdnüsse nicht finden!«
    Es war Samstagnacht, und die Reisenden feierten eine lange Party. Sie duschten auch ungewöhnlich oft, fand Qwilleran. Wenn in den umliegenden Zimmern das Wasser auf die Fiberglas-Wannen knallte, klang es wie das Donnern der Niagarafälle, und er lag wach in seinem Bett und wartete darauf, daß der Krach aufhörte.
    Und die ganze Zeit schliefen die Katzen friedlich auf seinen Füßen. Als er seine Beine, die schon ganz taub geworden waren, unter ihnen hervorzog, rutschten sie weiter hinauf und legten ihre schlaffen Körper quer über seine Knie. Dann knallten Spätankömmlinge ihre Autotüren zu und liefen über die Holztreppe hinauf, wobei sie sich zuriefen:
    »Bring meine Tasche mit dem Reißverschluß mit rauf!«
    »Welche?«
    »Die blaue!«
    »Hast du den Schlüssel?«
    »Ja, aber ich kann die Nummer zwonulldrei nicht finden.«
    »Wer geht mit Pierre Gassi?«
    Danach duschten sie einer nach dem anderen, und die Wasserfontänen in den Zimmern über ihm übertönten den Lärm der Fernsehapparate in den Nebenzimmern. Qwilleran hob die Katzen von seinen Knien, und sie krochen mit geschlossenen Augen noch weiter hinauf.
    So ging es bis vier Uhr früh. Dann konnte er eine Stunde schlafen, bevor die ersten Frühaufsteher sich duschten, mit Autotüren knallten und die Motoren aufheulen ließen. Er hätte allen Grund gehabt, den Morgen mit einer Stinkwut im Bauch zu beginnen, doch er legte eine unbeirrte und bewundernswerte Ruhe an den

Weitere Kostenlose Bücher