Die Katze
getan hast, oder die Bildung, die du mir ermöglicht hast, oder die Tatsache, dass du für mich da warst, als sie es nicht war. Aber weil sie uns verlassen hat, hat sie nicht aufgehört zu existieren, ebenso wenig wie ihre Rückkehr bedeutet, dass du nicht mehr wichtig bist. Sie ist meine Mutter. Du bist mein Vater. Und es ist nicht richtig, dass ich mich zwischen euch beiden entscheiden muss.«
Es entstand eine Pause. Wieder fragte Charley sich, ob ihr Vater die Verbindung unterbrochen hatte. »Bist du fertig?«, fragte er schließlich.
Charley nickte, bevor ihr bewusst wurde, dass sie das Wort laut aussprechen musste. »Ja.«
»Nun, das war ja ein recht imposanter Vortrag. Von ein paar grammatisch fragwürdigen Konstruktionen und der bedauernswerten Neigung zum Trivialen einmal abgesehen, war er schlüssig und überzeugend dargebracht. Ich bin sicher, er war ebenso ernst gemeint wie töricht.«
»Töricht?«
»Bitte sei so höflich, wie ich es auch war, und lass mich ausreden.«
»Entschuldigung«, murmelte Charley. »Sprich weiter.«
»Du hast von Entscheidungen gesprochen. Nun, ich habe meine Entscheidung vor zweiundzwanzig Jahren getroffen, als deine Mutter uns verlassen und die Scheidung eingereicht hat. Ich habe mich entschieden, für den Rest meines Lebens wütend, verbittert und unnachsichtig zu sein...«
»Aber das ist...«
»Verrückt? Albern? Mag sein. Es bleibt allerdings meine Entscheidung«, sagte er laut und jedes Wort betonend. »Ich habe kein Interesse daran, deiner Mutter zu vergeben oder es dir leichter zu machen. So ist es für mich, so habe ich entschieden , mein Leben zu leben. Deine Mutter hat mich betrogen und verraten. Sie hat uns alle verraten. Und ich betrachte deine Versöhnung mit ihr als einen Verrat an mir. Wenn du ihr also vergeben willst, ist das deine Entscheidung, da hast du vollkommen recht, und das muss ich akzeptieren. Aber es muss mir nicht gefallen. Ich muss es nicht gutheißen. Und ich muss eine Verräterin ganz bestimmt nicht wieder in unserer Mitte willkommen heißen.«
»Eine Verräterin? Dad, Herrgott noch mal...«
»Ich dachte, ich hätte in unserem letzten Gespräch unmissverständlich klargemacht, dass ich einen derartigen Vertrauensbruch nicht tolerieren würde. Vielleicht ist es nicht richtig, dass du dich zwischen deinem Vater und deiner Mutter entscheiden musst, aber so ist es nun mal. Und du hast deine Wahl getroffen. Es sei denn, du hast deine Meinung geändert. In diesem Fall kann alles wieder so sein wie früher. Hast du deswegen angerufen, Charlotte? Um mir zu sagen, dass du deine Meinung geändert hast?«
Lange Zeit schwiegen beide. »Ich habe meine Meinung nicht geändert«, sagte Charley.
Diesmal war die Stille der unterbrochenen Verbindung unverkennbar.
KAPITEL 31
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Familien. Man muss sie lieben. Stimmt’s?
Meine zum Beispiel. Ich habe zwei wunderbare Kinder, die ich vergöttere. Ich habe eine Mutter, die ich gerade erst langsam kennen lerne, einen Vater, der sich weigert, mit mir zu sprechen, zwei Schwestern, die ich kaum sehe, und einen Bruder, der für gewöhnlich zu weggetreten ist, um irgendwas zu begreifen.
Womit ich zum vergangenen Wochenende komme.
Aus welchen Gründen auch immer - und ich bin sicher, wenigstens einer von ihnen schien mir plausibel - wollte ich meine Geschwister und unsere Mutter wieder zusammenbringen. Vergangenes ist vergangen, dachte ich, und dass es Zeit wird, sich auszusöhnen. Also habe ich, um ehrlich zu sein, meine Schwestern durch Erpressung und meinen Bruder durch systematische Einschüchterung dazu bewegt, meine Einladung zu einem Abendessen anzunehmen, dann meine Mutter überredet, ihr berühmtes Hühnchen zu machen, die Kinder gebadet, den Hund gebürstet und gebetet, dass wir uns irgendwie verstehen würden. Schließlich sind wir eine Familie. Stimmt’s?
Doch davon wollten meine Schwestern nichts wissen. Die haben in letzter Minute einfach abgesagt! Auch mein Bruder hatte keine Lust auf Familienzusammenführung. Den ganzen Abend hat er seine Mutter nicht mal angesehen, egal wie oft - und wie ehrlich bemüht - sie sich dafür entschuldigte, uns als Kinder verlassen zu haben. So viel zum Thema Vergebung. Und auch dazu, dass die Vergangenheit vergangen ist. Offenbar ist niemand bereit,
den ersten Schritt zu tun. Wir haben das, was war, zu teuer bezahlt. Wir wollen nichts mehr wiedergutmachen. Alles soll bleiben, wie es ist.
Die traurige Wahrheit indes lautet: Die
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