Die Katze
»Wollen Sie wissen, was uns in It’s a Small World passiert ist? Es war das Komischste überhaupt. Das müssen Sie sich anhören.« Sie zappelte auf ihrem Stuhl, beugte sich vor und sprach direkt in den Kassettenrekorder. »Wir saßen also in diesen kleinen Booten, die angeblich einmal um die ganze Welt segeln, und all die Puppen sangen zwanzig Minuten lang immer wieder denselben blöden Song, und ich hab natürlich lauthals mitgesungen und gedacht, dass
es das Tollste überhaupt war. Mein Vater sah aus, als würde er jeden Moment anfangen, allem in Sichtweite den Kopf abzureißen, und Ethan drohte, über Bord zu springen. Endlich war die Fahrt fast vorbei. Wir konnten buchstäblich das Licht am Ende des Tunnels sehen, noch knapp eine halbe Minute bis ans Ziel. Und plötzlich blieb das ganze Ding stehen. Die Lichter gingen aus, und nichts bewegte sich mehr. Bis auf die Puppen. Die haben weitergesungen. Und wir saßen noch mal etwa zwanzig Minuten fest und mussten den blöden Puppen zuhören, die immer wieder den blöden Song gesungen haben, bis er sogar mir über war, und als schon alle anfingen zu kreischen, gingen die Lichter plötzlich wieder an, und die Boote fuhren weiter. Aber nicht vorwärts, sondern rückwärts. Wir brauchten weitere zwanzig Minuten, um zum Ausgangspunkt zurückzukommen! Und die ganze Zeit sangen die Puppen: It’s a small world after all .« Jill lachte jetzt. » It’s a small world after all . Es war so komisch.« Sie wischte sich ein paar Tränen von der Wange. »Wo wir eben davon sprachen, alles noch mal zu durchleben.« Sie lehnte sich zurück und seufzte tief. »Ich wünschte, ich könnte mit euch fahren.«
Mit dem Widerhall dieser Worte im Ohr schaltete Charley den Kassettenrekorder aus, steckte ihn in ihre Handtasche und hätte beim Aufstehen beinahe ihren Stuhl umgeworfen. »Wie wär’s, wenn ich Ihnen alles erzähle, wenn wir uns nächste Woche sehen?«
»Ich freue mich schon darauf.«
Charley ging zur Tür und klopfte, um die Wärterin zu rufen.
»Charley?«
Charley drehte sich noch einmal um.
Jill war aufgestanden. Ein schräges kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, und sie schlug kokett den Blick nieder. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie.
KAPITEL 32
Zuerst hörte sie die Geräusche in ihrem Traum. Sie suchte ein Paar Schuhe, die zu dem schwarz-weißen Kleid passten, das sie zum Abendessen bei Renato’s anziehen wollte, fand jedoch nur alte hässliche Pumps in Violett und Grün. Frustriert begann sie, die Schuhe auf den Boden zu werfen, aber einer sprang auf und traf ihre Stirn. Sie spürte die Feuchtigkeit, als das Blut zwischen ihre Augen tropfte. Und dann wachte sie auf.
Als Charley die Augen öffnete, leckte Bandit ihr Gesicht ab. »Was machst du so früh?«, fragte sie den Hund, richtete sich im Bett auf und blickte zu dem Wecker auf dem Nachttisch. Es war 6.35 Uhr. »Wir haben noch fünfundzwanzig Minuten, bis wir aufstehen müssen.« Sie ließ sich seufzend zurücksinken. Und dann hörte sie das Geräusch wieder.
Bandit sprang vom Bett, rannte zur Schlafzimmertür und drehte sich zu Charley um, als wollte er sie antreiben mitzukommen. Widerwillig stand Charley auf, zog einen pinkfarbenen Baumwollbademantel über ihr weißes T-Shirt und die Boxershorts. Wahrscheinlich eins der Kinder, das vor lauter Aufregung über den heutigen Ausflug schon wach war, dachte sie, ging durch den Flur zum Kinderzimmer und öffnete die Tür. Aber beide Kinder schliefen noch fest, die Reisetaschen fertig gepackt neben ihren Betten.
Sie hörte Bandit aufgeregt bellen und schloss eilig die Kinderzimmertür. Irgendjemand war in der Küche, wurde ihr bewusst. Ein Einbrecher? Aber was für ein Einbrecher drang um
halb sieben Uhr morgens in ein Haus ein, fragte sie sich und entschied, dass sie wahrscheinlich immer noch träumte. Und dann hörte sie die Stimme.
»Pssst!«, mahnte sie. »Nicht so laut. Sonst weckst du noch alle auf.«
Charley zwang sich, in die Küche zu gehen. Der Mann, den sie dort antraf, trug Jeans und ein Hawaii-Hemd mit grünweißem Muster. Er stand vor dem Tresen, und alle Schranktüren standen sperrangelweit offen. »Bram!«
Bram fuhr herum. »Herzlichen Glückwunsch, Charley.«
»Was machst du denn hier?«
»Habe ich dich geweckt?«
»Es ist halb sieben Uhr morgens. Was denkst du?«
»Ich denke, ich habe dich geweckt. Du warst schon immer ein Morgenmuffel.«
»Was machst du hier?«, fragte Charley noch einmal.
»Ich mache Blaubeerpfannkuchen.
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