Die Katze
wohlhabend, die Starkeys waren älter und kamen nur mit Mühe über die Runden. Ellis Barnet war Investment-Banker, Clive Starkey Schweißer. Joan Barnet war Lehrerin; Rita Starkey Hausfrau. Sie bewegten sich in völlig unterschiedlichen
Kreisen. Nach einigen Wochen war die Polizei jedoch auf das Verbindungsglied gestoßen. Ihr Name war Jill Rohmer.
Die Barnets hatten Jill jeden Samstag als Babysitter engagiert, wenn sie ihren »romantischen Abend« hatten. Jill war immer pünktlich und gerne bereit, so lange wie nötig zu bleiben. Sie hatte mit Tammy mit Puppen gespielt und ihr stundenlang vorgelesen, bevor sie sie ins Bett brachte. Laut Aussagen der Barnets hatte Tammy Jill vergöttert.
Genau wie Noah und Sara Starkey, die sie jeden Freitag und später dann auch samstags gesittet hatte, als die Samstage unvermittelt frei geworden waren. Weil sie wusste, dass die Starkeys eine finanziell schwierige Phase durchmachten, hatte Jill sich oft geweigert, Geld anzunehmen. »Die Kinder sind wunderbar«, sagte sie immer. »Eigentlich müsste ich Sie bezahlen.«
Die Polizei erwirkte einen Durchsuchungsbefehl für das Haus, in dem Jill zusammen mit ihren Eltern und älteren Geschwistern lebte. Unter ihrem Bett fand man Tammy Barnets blutige Unterwäsche und eine Kassettenaufnahme der Todesschreie sämtlicher Kinder. Auch Jills Stimme war deutlich zu vernehmen. Außerdem stellte man eine Übereinstimmung ihrer DNA mit den Speichelspuren an den Leichen fest. Ein sonnenklarer Fall.
Es gab Gerüchte über einen möglichen Komplizen, und anfangs verdächtigte man sowohl ihren Bruder als auch ihren Freund, aber es gab nie genug Beweise für eine Festnahme. Jill weigerte sich, sie zu beschuldigen, und lehnte es auch ab, vor Gericht zu ihrer Verteidigung auszusagen. Ihr Anwalt Alex Prescott versuchte sein Bestes und plädierte auf begründeten Zweifel an der Schuld seiner Mandantin, aber letztendlich gab es keinen. Jill Rohmer wurde für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.
Und nun wollte sie offenbar doch reden.
Wenn Sie sich entschließen, meinen Vorschlag anzunehmen, oder irgendwelche Fragen haben, können Sie jederzeit meinen
Anwalt Alex Prescott kontaktieren. Er hat eine Kanzlei in Palm Beach Gardens, und ich habe ihn vorgewarnt, dass Sie vielleicht anrufen.
Charley stand auf und tapste den Flur hinunter zum Kinderzimmer. Sie spähte hinein und sah, dass Franny ruhig in ihrem Bett lag, während James halb aus seinem Bett hing. Sie betrachtete ihre schlafenden Kinder und fragte sich, wie eine scheinbar normale junge Frau derart abscheuliche Verbrechen begehen konnte. Und was sie möglicherweise als mildernden Umstand für ihre Taten anführen könnte.
Charley ging in die Küche, kochte sich einen Becher Kräutertee und rief die Auskunft an. »Palm Beach Gardens, Florida«, sagte sie. »Ich hätte gern die Nummer von Alex Prescott, Rechtsanwalt.«
KAPITEL 6
Gleich am nächsten Morgen rief sie in der Kanzlei an und bat darum, sofort einen Termin zu bekommen.
»Mr. Prescott ist bis elf bei Gericht«, beschied seine Sekretärin sie knapp und in einem kühlen Ton, der nach tadellos sitzender Blondfrisur, makellos manikürten Nägeln und perfekt dazu passendem Lippenstift klang.
Charley starrte auf ihre braune Bluse und den weißen Streifen Zahnpasta, der von ihrer elektrischen Bürste getropft sein musste, als sie sich die Zähne geputzt hatte. (»Aber mir machst du Vorhaltungen, weil ich mein Handy nicht bedienen kann«, konnte sie ihre Mutter spotten hören.) »Ich glaub es nicht«, murmelte Charley, klemmte den Hörer zwischen Ohr und Schulter und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen.
»Vielleicht zum Ende der Woche, sagen wir Donnerstag …«
»Nein, es muss früher sein.« Charley streifte die Bluse ab und warf sie auf den Boden. »Hat er nicht doch heute noch einen Termin frei?«
»Ich fürchte nicht. Er ist bis elf bei Gericht, dann hat er um zwölf einen Termin zum Mittagessen und den nächsten um zwei …«
»Okay, gut. Vergessen Sie’s.« Charley schaltete ihr Handy ab und warf es auf ihr ungemachtes Bett. Das war ein Zeichen, ihre Zusammenarbeit mit Jill Rohmer sollte offensichtlich nicht sein. Sie trat vor ihren Kleiderschrank und musterte ihre imposante Sammlung von Designer-Jeans und ihre nicht
ganz so imposante Sammlung von allem anderen. »Wer braucht schon mehr?«, fragte sie das leere Haus. Franny und James waren vor einer halben Stunde vom Schulbus abgeholt worden. Sie entschied sich schließlich
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