Die Katze
für ein strassbesetztes, beigefarbenes T-Shirt mit einem aufgedruckten Totenkopf. Da sie Alex Prescott heute Morgen nicht besuchen würde, tat es auch ein legeres Outfit. »Es sollte einfach nicht sein«, sagte sie noch einmal laut.
Sie war überrascht und sogar ein wenig erschrocken, wie enttäuscht sie war, vor allem weil sie mehr oder weniger beschlossen hatte, nichts mit Jill Rohmers schmutziger Geschichte zu tun haben zu wollen. Und das, nachdem sie sich die ganze Nacht wach im Bett herumgewälzt, ihre Optionen erwogen, ihren Terminplan durchforstet und im Kopf sogar schon ein Exposé entworfen hatte. Ich kann es nicht machen, hatte sie sich im Laufe der Nacht mehrfach gesagt und gleichzeitig eine Liste von Fragen zurechtgelegt, die sie Alex Prescott stellen wollte, sowie eine weitere Liste von Bedingungen, die Voraussetzung für eine mögliche Zusammenarbeit waren. Du würdest die Probleme geradezu heraufbeschwören, hatte sie sich kurz vor Morgengrauen ermahnt und trotzdem versucht, sich ihre erste Begegnung mit Jill Rohmer auszumalen. Als um sieben der Wecker klingelte, war sie bereits so weit, sich das fertige Buch vorzustellen, ihren Namen in geprägten silbernen Buchstaben unter oder besser noch über dem Titel. (Auf dem Titel würde auf jeden Fall ein Foto von Jill Rohmer prangen, aber ihr eigenes sehr viel eleganteres Bild würde den Rückumschlag schmücken. Vielleicht würde sie sich die Spitzenkissen ihrer Schwester borgen.) »Nein, ich kann es nicht machen«, hatte sie laut gesagt, bevor sie sich unter der Dusche die Haare gewaschen hatte. Doch als ihre Haare wieder trocken waren, hatte sie sich schon auf den schlichten ersten Satz ihres Vorworts festgelegt: Gestern bekam ich Post von einer Mörderin .
Nun denn, sie könnte ihn immer noch in ihrer Kolumne benutzen,
entschied sie, schob ihr Handy in die Gesäßtasche ihrer Jeans und warf eine weiße Überdecke über die schlichten weißen Laken, damit ihr Bett zumindest gemacht aussah. Eines Tages bringe ich mein Leben in Ordnung, gelobte sie, nahm ihre Handtasche von dem nackten Holzboden und ging hinunter in den Flur. Ich kaufe mir schöne Bettwäsche, einen Teppich und Kleidung für Erwachsene.
Obwohl Charley sich nicht sicher war, was heutzutage als Kleidung für Erwachsene galt. Alle trugen das Gleiche. Es gab keine Kleiderordnung mehr, keine Unterscheidung zwischen den Generationen. Dreijährige trugen den gleichen Stil wie Dreißigjährige. Sogar Siebzigjährige kleideten sich wie Dreißigjährige, und die kleideten sich wie Teenager. Kein Wunder, dass alle verwirrt waren.
»Die Zeiten haben sich auf jeden Fall geändert«, hatte ihre Mutter neulich festgestellt, als sie ein Geburtstagsgeschenk für Franny gekauft hatten. »Als ich jung war, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, den Kleiderschrank meiner Mutter zu plündern.«
»Ich hab keine Ahnung«, erwiderte Charley. »Dein Kleiderschrank war leer.«
Die Unterhaltung war zu einem abrupten Ende gekommen.
Hatte diese Verwischung der Grenzen zwischen den Generationen, diese Zögerlichkeit, die eigene Jugend loszulassen, die offene Weigerung, alt zu werden, auf irgendeine Weise zur zunehmenden Sexualisierung der Jugend beigetragen? Konnten aktuelle Modetrends, in denen sich diese Haltung spiegelte, zumindest teilweise daran schuld sein, was der kleinen Tammy Barnet sowie Noah und Sara Starkey geschehen war?
»Sei nicht albern«, murmelte Charley, als sie kurz in der Küche stehen blieb, um diese Gedanken zu notieren. (In jedem Zimmer lag Papier bereit für den Fall, dass sie eine Eingebung hatte.) Selbst unausgegoren waren die Ideen provokant genug, um irgendwann Stoff für eine interessante Kolumne zu bieten.
Und wie es aussah, würde Charley in näherer Zukunft doch mehr Freizeit haben, als sie es sich noch in der Nacht vorgestellt hatte.
»Es sollte einfach nicht sein«, wiederholte sie noch einmal, öffnete die Haustür und schirmte die Augen gegen die helle Sonne ab, die nach dem Grau des gestrigen Tages wieder am Himmel strahlte. Als sie aufblickte, sah sie Gabe Lopez, der in der Auffahrt an ihrem Wagen lehnte. Seine verkniffene Miene ließ darauf schließen, dass er nicht gekommen war, um ihr einen guten Morgen zu wünschen. Was hatte sie jetzt wieder gemacht? »Kann ich irgendwas für Sie tun, Mr. Lopez?«, fragte sie und kam vorsichtig näher.
»Sie können aufhören, meine Arbeiter zu belästigen«, erklärte er ihr, die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.
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