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Die Katze

Titel: Die Katze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
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murmelte Charley, als sie den Metalldetektor passiert hatten. Alex fasste ihren Ellenbogen und führte sie den Flur hinunter. Sie empfand die Berührung sofort als überraschend angenehm. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie entnervt sie von dieser Umgebung war, wie verwundbar und entblößt sie sich fühlte. Als hätte sie sich eines Vergehens schuldig gemacht, dessentwegen sie augenblicklich entlarvt und in Handschellen abgeführt werden würde. Sie bogen um noch eine Ecke und gingen einen weiteren Flur hinunter.
    »Gleich kommt wieder eine Ausweiskontrolle«, warnte er sie.

    Charley atmete tief ein, als sie auf die nächste Schranke zusteuerten, aber die Luft schmeckte abgestanden und ätzend. »Eau de Desinfektion«, sagte sie in der Hoffnung, Alex ein Lächeln zu entlocken, aber der war schon wieder ein paar Schritte vorausgeeilt und hatte sie gar nicht gehört.
    Die langen Flure waren gar nicht einmal besonders hässlich als vielmehr gnadenlos funktional. Hellgrün und kahl und wie ein Labyrinth, das einen weiter und weiter von der Freiheit wegführte. Charley dachte, dass sie hier drinnen keine Woche durchhalten würde, als hinter ihr Tore zufielen und argwöhnische Blicke ein weiteres Mal ihre Identität überprüften.
    »Na, so was«, bemerkte die Wächterin mit einem trockenen Lächeln, das ihren breiten Mund umspielte. Bis auf die fehlenden Sommersprossen sah sie aus wie eine Zwillingsschwester der ersten Wärterin. »Sie sind also Charley Webb. Ich steh ziemlich auf Ihre Kolumnen.«
    Charley lächelte eigenartig berührt. »Vielen Dank.«
    »Ja. Jedenfalls hat man immer was zu lachen. Und die Bücher Ihrer Schwester sind hier im Pembroke Correctional auch sehr beliebt.«
    Charleys Lächeln erstarrte. »Wie schön.«
    »War nett, Sie kennenzulernen, Miss Webb«, sagte sie. »Nehmen Sie den ersten Flur rechts und dann gleich wieder links.«
    Wieder führte Alex Charley den langen Flur hinunter, ohne jedoch diesmal ihren Ellenbogen zu fassen. »Ihre Schwester schreibt also Bücher«, sagte er, als sie eine Doppeltür mit einem männlichen Wärter erreichten, der sich von seinem Hocker erhob, als sie näher kamen.
    »Gleich den nächsten Gang rechts«, sagte er nach Inspektion ihrer Ausweise. »Raum 118.«
    Raum 118 war genauso, wie Charley ihn sich vorgestellt hatte. Klein, karg möbliert mit einem billigen Plastiktisch, der in dem Betonboden verschraubt war, und drei unbequem aussehenden Klappstühlen. Die nackten Wände waren in dem gleichen
Grün gestrichen wie die Flure, und eine Neonröhre, die in die niedrige Decke eingelassen war, tauchte alles in ein grelles Licht. Es gab keine Fenster und nur eine minimale Lüftung.
    »Es dauert etwa fünf Minuten, sie hierherzubringen«, erklärte Alex.
    »Von wo bringt man sie hierher?«
    »Es gibt eine getrennte Sektion für die Frauen im Todestrakt.«
    »Sitzen dort viele Frauen?«
    »Eine Handvoll.«
    »Teilen sie sich eine Zelle?«
    »Nein, sie gehören im Gegenteil zu den wenigen Häftlingen in Florida, die eine eigene Zelle haben, ein Privileg der zum Tode Verurteilten.«
    »Klingt fast so, als wäre es das wert«, bemerkte Charley sarkastisch.
    »Nur, bis der Gouverneur das Vollstreckungsurteil unterzeichnet. Dann wird die Gefangene in eine ›Todesbeobachtungszelle‹ in der Nähe der Hinrichtungsstätte verlegt.«
    »Und wo ist die?«
    »In Starke. In der Nähe von Raiford, dem Männergefängnis. Nördlich von Gainesville«, fügte er für den Fall, dass sie das nicht kannte, noch hinzu.
    »Ich weiß, wo Raiford ist«, sagte sie, obwohl sie es bis eben in Wahrheit nicht gewusst hatte. »Und für wann ist Jills Hinrichtung terminiert?«
    Alex zuckte die Achseln. »Das dauert vermutlich noch zwölf Jahre.«
    »Zwölf Jahre?«
    »Das ist die durchschnittliche Haftdauer im Todestrakt.«
    Charley überlegte, ob sie sich diese Information notieren sollte, entschied sich jedoch dagegen. Sie wollte keineswegs zu eifrig wirken. Noch war nichts entschieden, erinnerte sie sich. »Wegen der Revisionsverfahren?«

    »Revisionsverfahren, neue Prozesse, neue Anhörungen, gerichtliche Überprüfungen, Gnadengesuche - all das braucht seine Zeit.«
    »Und derweil sitzen diese Frauen in ihren eigenen, klimatisierten Einzelzellen.«
    »Der Todestrakt ist nicht klimatisiert«, erwiderte Alex klanglos und mit einem Hauch Verärgerung.
    »Ah«, sagte Charley, die sich ihrerseits keine Mühe gab, ihr mangelndes Mitgefühl zu kaschieren.
    »Sie glauben, sie leiden nicht genug?«,

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