Die Katze
ganz vergessen, dass Sie Kinder haben.«
»Sie offensichtlich nicht«, sagte Charley, obwohl es im Grunde wieder mehr eine Frage war.
»Nein. Ich hab mich nie als Vater gesehen.«
»Mögen Sie keine Kinder?«
»Oh doch! Ich finde sie toll.« Er zuckte die Achseln. »Na ja, man kann nie wissen.«
»Man kann nie wissen«, pflichtete sie ihm bei.
»Wann wäre denn für Sie ein guter Termin, Jill wiederzutreffen?«, fragte er nach einer Weile.
Charley blätterte im Geist ihren Terminkalender durch. »Wie wär’s mit Mittwoch in einer Woche?«
»Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Vielleicht könnten wir einen festen Termin pro Woche vereinbaren plus hin und wieder einen Samstag.«
»Klingt gut.«
»Und wenn es geht, länger als jeweils nur eine Stunde. Vielleicht zwei oder sogar drei?«
»Bei drei Stunden bin ich skeptisch, aber ich werde auch hier sehen, was sich machen lässt.«
»Hat Jill Zugang zu einem Telefon?«
»Sie hat ein eingeschränktes Recht zu telefonieren.«
»Nun, sie kann mich jederzeit in der Redaktion anrufen. Oder auf meinem Handy. Und natürlich kann sie mir immer schreiben. Vielleicht könnte sie mit ihrer Kindheit beginnen. Sagen Sie ihr, dass sie nichts auslassen soll. Ich entscheide dann, was relevant ist und was nicht.«
»Das sage ich ihr.«
»Okay.« Charley ließ sich erschöpft in ihren Sitz zurücksinken. »Okay.«
»Alles in Ordnung?«
»Bloß ein bisschen müde.«
»Haben Sie heute Abend was vor?«
»Nein, nichts.« Wollte er sie einladen? Und wenn ja, wie würde sie reagieren? Es war vermutlich unklug, Geschäft und Vergnügen zu vermischen, entschied sie. Nun musste sie zurückrudern und irgendeinen Vorwand erfinden, den er natürlich durchschauen würde.
»Das ist gut«, sagte er. »Dann können Sie ein heißes Bad nehmen, Essen beim Chinesen bestellen und einfach vor dem Fernseher abhängen.«
Damit hätte sich das auch erledigt, dachte Charley mit einem Stich Enttäuschung. Was war mit ihr los? Warum war sie nicht einfach erleichtert? Sie fand den Mann nicht mal besonders geistreich oder gut aussehend, obwohl er schon irgendwie witzig und attraktiv war. Er war eben einfach nicht ihr Typ. Er wirkte zu ordentlich und adrett. Ihr waren Männer leicht zerzaust und abgerissen immer lieber gewesen. Außerdem hatte sie doch gerade entschieden, dass es klüger wäre, Berufliches und Privates nicht zu vermischen. Was würde passieren, wenn sie seiner bald überdrüssig wurde? Das kam bei ihr ja nicht selten vor. Welche Konsequenzen würde es für ihre Beziehung zu Jill haben, wenn sie ihn abservierte? Könnte Alex seine Mandantin dazu bewegen, Charley ganz aus dem Projekt auszuschließen?
Sie seufzte. Der einzige Grund, warum sie auch nur vage an Alex Prescott interessiert war, bestand in seinem absoluten Desinteresse an ihr. Man wollte immer das, was man nicht kriegen konnte, dachte sie, während ihre Haare gegen ihre geschlossenen Lider wehten.
Im nächsten Augenblick fand sie sich im Schlafzimmer ihrer Eltern wieder, wo sie beobachtete, wie ihre Mutter ein paar locker gefaltete Blusen in einen Koffer warf. »Was machst du, Mommy?«
»Mommy muss eine Weile wegfahren, Schätzchen.«
»Wohin?«
»In ein Land, das Australien heißt.«
»Wo ist das?«
»Weit weg.«
»Kann ich mitkommen?«
»Nein, meine Süße, ich fürchte, das geht nicht.«
»Weinst du deswegen?«
»Ja, Schätzchen. Deswegen weine ich. Weil ich dich sehr vermissen werde.«
»Warum kann ich dann nicht mitkommen?«
»Weil du für mich zu Haue bleiben und auf deinen Bruder und deine Schwestern aufpassen musst.«
»Wie lange bleibst du weg?«
»Ich weiß nicht genau.«
»Ich will nicht, dass du weggehst.«
»Ich weiß, Schätzchen, aber ich muss.«
»Ist es wichtig?«
»Ja.«
»Wichtiger als ich?«
»Nichts ist wichtiger als du«, sagte ihre Mutter und begann, noch heftiger zu weinen.
»Warum gehst du dann weg?«
»Ich habe keine andere Wahl.«
»Warum?«
»Vielleicht kann ich dir das eines Tages erklären.«
»Erklär es mir jetzt.«
»Ich kann nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es sehr kompliziert ist.«
»Was ist ›kompliziert‹?«
»Herrgott noch mal, Charlotte, kannst du nicht aufhören, mir dauernd Fragen zu stellen?«
»Charley«, mischte sich eine Stimme in ihren Traum wie ein Eindringling, der an einem offenen Fenster stand.
Charley schnellte hoch, der Sicherheitsgurt blockierte und zog sie auf den Sitz zurück.
»Sie hatten einen Alptraum«, sagte
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