Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Katze

Titel: Die Katze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
Vom Netzwerk:
von Macht, das es einem gibt. Wissen Sie, er liegt da, völlig entblößt. Man hat sein Ding im Mund, und er stöhnt. Man hat sein Schicksal in der Hand.« Sie kicherte. »Im Mund, sollte ich besser sagen.« Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen, als würde sie sich erinnern. »Und man kann entscheiden … man kann entscheiden …«
    »Was?«, fragte Charley. »Was kann man entscheiden?«
    Jill öffnete die Augen und starrte Charley direkt an. »Alles.«

KAPITEL 14
    Auf der Rückfahrt hallten Jills Worte in Charleys Kopf wider wie ein Ohrwurm, der Refrain eines ärgerlichen, aber besonders eingängigen Songs. Ich musste ihn anfassen, es ihm mit dem Mund machen . Sie wechselte von einem Radiosender zum nächsten, um die Stimme zu übertönen. Und er stöhnt. Man hat sein Schicksal in der Hand . Sie trat aufs Gaspedal. Der Wagen machte einen spürbaren Ruck und kam auf Touren. Ich war neun, vielleicht zehn . Sie sah in den Rückspiegel, und Frannys unschuldige Augen starrten zurück. Sie wandte den Blick ab, drehte das Radio noch lauter und trat das Gaspedal ganz durch. Man kann entscheiden. Man kann entscheiden .
    Was kann man entscheiden?, hatte Charley gefragt.
    Alles , hatte die kryptische Antwort gelautet.
    Aber hatte ein Mädchen, das von einem tyrannischen und sadistischen Vater aufgezogen, im zarten Alter von neun Jahren von ihrem Bruder vergewaltigt, mit vierzehn von ihrem ersten Freund in gleicher Weise missbraucht und danach von praktisch jedem Mann, den sie kennengelernt hatte, manipuliert und verlassen worden war, tatsächlich je irgendetwas zu entscheiden gehabt?
    Charley musste unwillkürlich an ihre eigenen prägenden Jahre denken, an den distanzierten, eisigen Menschen, der ihr Vater war, und den Schaden, den seine Kälte angerichtet hatte. Seine Frau hatte Trost in den Armen einer zugänglicheren Frau gesucht, war mit ihr ans andere Ende der Welt geflohen, und
er hatte es seinen Töchtern überlassen, ihr Heil bei stets neuen, stets unpassenden Männern zu suchen. Genau wie Jill hatte Charley ihren ersten richtigen Freund mit vierzehn gehabt. Er hieß Alan. Alan Porter, erinnerte sie sich, ein Junge so schlicht wie sein Name. Sie sah den großen Schlaks vor sich mit seinen langen rötlichen Haaren, deren Strähnen ständig in seine hellgrünen Augen fielen, die ihr damals so geheimnisvoll erschienen, aber im Grunde bloß leer gewesen waren, wie sie heute begriff. Wirklich geheimnisvoll war nur, warum sie ihn so anziehend gefunden hatte. Wie Wayne sah er eigentlich nicht besonders gut aus. Seine Attraktivität lag eigentlich ausschließlich darin begründet, dass er sie attraktiv fand.
    Mit vierzehn hatte Charley sich noch nicht aus der harten, störrischen Schale der Pubertät gepickt. Sie war einen guten Kopf größer als die meisten Jungen in der Schule, und ihr Körper war noch immer mehr eckig als rund. Ihr markantestes Merkmal waren ihre breiten Schultern. Es sollte noch ein Jahr dauern, bis ihre Brüste ein Punkt von Interesse und ihre Augen ein Quell der Macht werden sollten. Bis dahin sahen die Jungen für gewöhnlich über sie hinweg oder durch sie hindurch. Bis auf Alan Porter, der sich, möglicherweise überwältigt vom Anblick seines männlichen Spiegelbilds in ihren schüchtern aufgeschlagenen Augen, jedoch wohl eher, um irgendwelchen Klassenkameraden seinen Mut zu beweisen, eines Morgens herabgelassen hatte, zu ihrem Spind herüberzuschlendern und Hallo zu sagen.
    Schon bald sah man sie öfter zusammen, und wenige Wochen später galten sie als festes Paar, obwohl Charley sich nicht erinnern konnte, dass sie je ein richtiges Date gehabt hätten. Ein paar Partys vielleicht, die eigentlich mehr gemeinschaftliche Fummel-Sessions waren, bei denen alle auf unbequemen Sofas und Sesseln in irgendjemandes Keller lagen, Jungen auf Mädchen, ihre jugendlichen Leiber hilflos aneinanderreibend, verstohlene Hände, die sich unter Röcke und BH-Träger schoben,
Finger, die an Reißverschlüssen nestelten, leises Stöhnen und lautes Kreischen, hin und wieder ein »Nicht«, gefolgt von einem flehenden »Lass mich«.
    Bei seiner Jagd auf ihre Unschuld war Alan ebenso hartnäckig gewesen, wie er sich schließlich bemüht hatte, sie auf Distanz zu halten, nachdem er sein Ziel erreicht hatte. »Ruf mich mal an«, hatte er hinterher gesagt, hastig seine Jeans übergestreift und den Blutfleck auf dem grauen Teppich von Charleys

Weitere Kostenlose Bücher