Die Katze
weiß nicht, er hatte einfach irgendwas, was ich
mochte. Vielleicht weil er so anders war als Ethan und mein Dad.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir uns eigentlich kennengelernt haben, wahrscheinlich in der Kirche, ich meine, wir waren jede Woche dort und er auch. Schon bald hingen wir ständig zusammen. Nach der Schule wartete er an der Straßenecke auf mich. Anfangs wollte er natürlich nicht zugeben, dass er auf mich gewartet hatte, und hat jedes Mal irgendeinen Vorwand erfunden, aber dann hat er mich immer nach Hause gebracht. Manchmal sind wir ins Kino gegangen oder Eis essen. Es war nett. Und er hat nie irgendwelche komischen Sachen versucht.«
»Sie waren Freunde«, stellte Charley fest.
»Er war mein bester Freund. Wir haben einfach bloß geredet und geredet und geredet. Ich hab ihm alles erzählt.« Sie hielt inne. »Das war mein Fehler«, fügte sie hinzu, und ihr glattes Gesicht verfinsterte sich.
»Inwiefern war es ein Fehler?«
»Er fing an, sich mir gegenüber anders zu benehmen.«
»Wie hat er sich denn benommen?«
Eine lange Pause. »Wie Ethan.«
»Inwiefern war er wie Ethan?«
»Ich will nicht darüber reden«, sagte Jill störrisch.
Charley legte ihren Stift aus der Hand. »Wir drehen uns im Kreis, Jill.«
»Ich weiß.«
»So kommen wir nicht besonders weit.«
»Das weiß ich auch.«
»Inwiefern war Wayne wie Ethan?«, fragte Charley noch einmal.
Wieder entstand eine lange Pause, noch länger als die erste. »Nachdem Pammy ihre Regel gekriegt hatte«, begann Jill, »entschied Ethan, dass er die Sachen, die er bis dahin mit ihr gemacht hatte, nicht mehr machen konnte, ohne Gefahr zu laufen, sie zu schwängern.« Sie machte wieder eine Pause, biss
sich auf die Lippe und nestelte nervös an ihrem Pferdeschwanz. Charley notierte jede Geste. »Da hat er angefangen, zu mir ins Bett zu kriechen.«
Charley atmete tief ein und langsam wieder aus. »Wie alt waren Sie?«
»Neun. Vielleicht zehn.«
Charley dachte an Franny, die nächstes Jahr neun wurde, und schloss entsetzt die Augen. »Was hat er Ihnen angetan?«
Jill zuckte die Schultern. »Sie wissen schon.«
»Ich muss es von Ihnen hören.«
Jill zuckte noch einmal die Achseln, ausladender als zuvor. »Ich musste ihn anfassen, es ihm mit dem Mund machen«, erklärte sie nüchtern. »Und er hat mich vergewaltigt. Zuerst mit seinen Fingern, dann mit … Wie nennt Ihre Schwester das in ihren Büchern immer? Seiner ›Männlichkeit‹.« Sie kicherte ihr Teenagerlachen. »Sie wissen schon, was man halt so in Kinderpornos sieht. Es war ziemlich widerlich.«
Was man halt so in Kinderpornos sieht , wiederholte Charley stumm und packte ihren Stift fester, damit ihre Finger nicht zitterten. »Und das ging wie lange?«
»Bis ich vierzehn war und endlich meine Regel bekam. Ich hatte diesen Tag schon so herbeigesehnt, weil ich wusste, dass er mich dann in Ruhe lassen würde.«
»Und hat er Sie in Ruhe gelassen?«
»Er hat aufgehört, mich zu vergewaltigen. Aber ich musste es ihm weiter mit dem Mund machen. Er hat gesagt, ich wäre besser als Pammy oder irgendeins der anderen Mädchen, die er kannte.«
Hatte sie einen Unterton von Stolz in Jills Stimme gehört, fragte Charley sich und dachte, dass sie sich diesen Teil der Aufnahme noch einmal anhören musste.
»Machen Sie es gerne?«, fragte Jill.
»Was?« Das Wort war mehr ein Ausrufezeichen als eine Frage.
»Mit dem Mund. Sie wissen schon. Blowjobs. Machen Sie es gerne?«
»Machen Sie es gerne?«, gab Charley zurück.
»Ich habe zuerst gefragt.«
Charley erwog ihre Antwort sorgfältig. Sie konnte sich rundweg weigern, auf die Frage einzugehen, was Jill jedoch wütend machen und ganz verstummen lassen könnte. Oder sie konnte sie mit einer allgemeinen Wahrheit von der Sorte abspeisen, dass alle sexuellen Handlungen erlaubt und lustvoll waren, solange sie einvernehmlich zwischen zwei Erwachsenen stattfanden. Oder dass Liebe jeden Aspekt von Sexualität mit einschloss. Aber woher wollte sie das wissen, wenn sie noch nie verliebt war? »Ja«, antwortete Charley schließlich ehrlich. »Ich mache es gern.«
Ein träges Lächeln schlich sich auf Jills Gesicht, bis es ihre Augen erreicht hatte. Wieder löste sie ihren Pferdeschwanz aus dem engen Gummi, schüttelte den Kopf und ließ ihre langen blonden Haare offen auf ihre Schultern fallen. »Wissen Sie, was ich daran am meisten mag?«, fragte sie und stützte sich auf ihre Ellbogen. »Ich mag das Gefühl
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