Die Katze
auch noch zu Tode quälen?«
»Ich will niemanden quälen, Mrs. Fenwick.«
»Sie sind nicht hier, um Pam über ihre Schwester zu interviewen?«
»Ich komme auf Pams Einladung.«
»Ach ja? Warum macht sie dann nicht auf?«
Charley zwang sich zu einem Lächeln. Sie spürte, wie ein Regentropfen von ihrer Nasenspitze in ihren offenen Mund fiel. Sie sah sich noch einmal nach Alex um, der draußen jedoch nirgends zu sehen war.
»Hören Sie, ich schreibe ein Buch …«
»Ein Buch? So, so, wie ehrgeizig.«
»Es war Jills Idee. Ich versichere Ihnen, dass ich es auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin tue.«
Ein seltsamer Ausdruck huschte über Mrs. Fenwicks Gesicht.
»Vielleicht könnte ich Ihnen einen paar Fragen stellen«, schlug Charley vor, als sie mit ihrem Reporterinstinkt eine Veränderung in der Haltung der Frau spürte, die sie ausnutzen wollte.
»Zum Beispiel?«
»Zunächst einmal, wie lange leben Sie schon neben den Rohmers?«
»Seit fünfundzwanzig Jahren.«
»Das heißt, Sie kennen Jill …«
»Schon ihr Leben klang. Pammy auch. Reizendes Mädchen, Pammy. Kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Mutter.«
»Und Jill?«
Mrs. Fenwick schüttelte den Kopf und pickte sich mit den Fingern einen unsichtbaren Tabakkrümel von der Zunge. »Höflich, respektvoll, gefällig. Schwer zu glauben, dass sie diese schrecklichen Dinge getan hat«, fügte sie unaufgefordert hinzu.
»Schwer zu glauben«, wiederholte Charley, die die kaum
merklich Einschränkung in Mrs. Fenwicks Tonfall gehört hatte. »Aber nicht unmöglich.«
»Nicht unmöglich«, räumte Mrs. Fenwick nach einer längeren Pause ein.
»Charley!«, rief Alex plötzlich. »Charley, wo sind Sie?«
Charley öffnete die Haustür. »Ich komme«, rief sie, obwohl sie Alex nach wie vor nicht sehen konnte, und wandte sich noch einmal Mrs. Fenwick zu. »Wieso nicht unmöglich?«
Die fischte eine Zigarette und ein Streichholzbriefchen aus der Hosentasche ihrer Jogginghose. »Ich weiß nicht.«
»Ich glaube, das wissen Sie doch.«
Mrs. Fenwick schüttelte den Kopf. »Das Letzte, was ich brauche, ist noch mehr Ärger mit Ethan.«
»Noch mehr Ärger?«
»Pammy ist das netteste Mädchen der Welt. Ich würde alles für sie tun. Ihre Mutter, wissen Sie, sie sitzt schon seit Jahren im Rollstuhl, und es wird jeden Tag schlimmer. Aber ihr Mann und dieser Ethan sind ständig wegen irgendwas auf hundert. Einmal hab ich mich beschwert, dass er mit seinem Wagen unsere Einfahrt versperrt. Kurz darauf war mein ganzer Vorgarten voller Müll. Und ein anderes Mal hat er Eier gegen unsere Haustür geworfen.«
»Charley?«, rief Alex noch einmal.
»Was können Sie mir von Jill erzählen, Mrs. Fenwick?«, fragte Charley, ohne ihn zu beachten.
»Es ist wahrscheinlich nichts. Bloß so ein Gefühl, das ich hatte …«
»Erzählen Sie’s mir.«
»Das Ganze ist schon lange her, vielleicht acht, neun Jahre«, begann Mrs. Fenwick. »Wir hatten ein Vogelnest in einem der Bäume im Garten, und die Küken waren gerade geschlüpft. Fragen Sie mich nicht, was für Vögel es waren. Wahrscheinlich bloß Spatzen. Eigentlich nicht besonders interessant, aber ich habe sie immer gerne beobachtet. Sie waren ganz mager, ihre
kleinen Schnäbel immer offen und nach Futter schreiend. Ich habe Jill das Nest gezeigt, und sie wirkte fasziniert. Jedenfalls kam ich eines Nachmittags von der Arbeit nach Hause …«
»Charley!«
»Hier drüben!«, rief Charley ungeduldig zurück, als Alex im Vorgarten der Rohmers auftauchte. »Was ist passiert, als Sie von der Arbeit nach Hause kamen, Mrs. Fenwick?«
»Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen das erzählen sollte.«
»Was hat Jill gemacht, als Sie an dem Tag von der Arbeit heimkamen?«
Nach kurzem Zögern sagte die Frau. »Sie stand in meinem Garten unter dem Baum, das Nest lag auf dem Boden, und die armen kleinen Dinger lagen tot zu ihren Füßen. Sie weinte und sagte, die Katze müsse sie erwischt haben. Ich tröstete sie. Wir haben die Vögel gemeinsam begraben. Ich habe weiter keine großen Gedanken darauf verschwendet, bis ich später zufällig aus meinem Schlafzimmerfenster beobachtet habe, wie sie an die Hauswand gelehnt auf dem Rasen saß, mit einem großen langen Stock spielte und mit diesem sonderbaren Lächeln zu dem Baum in meinem Garten starrte. Da wusste ich, dass nicht die Katze die armen kleinen Vögel erwischt hatte.«
»Charley!« Alex rannte zu ihr.
»Können wir uns noch einmal unterhalten?«, fragte Charley die Frau.
Mrs.
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