Die Katze
eine Meile und mehrere Abzweige später und wies auf einen bescheidenen grauen Holzbungalow am Ende des Blocks.
Charley holte den Kassettenrekorder aus ihrer Handtasche, schaltete ihn ein und sprach leise hinein. »Das Haus ist klein, gut hundert Quadratmeter, eingeschossig, sieht aus wie alle anderen Häuser in der Umgebung, beinahe vorsätzlich nichtssagend, einigermaßen frischer, grauer Anstrich, Türen und Fenster weiß abgesetzt, gepflegter Vorgarten, Vorhänge vor dem Wohnzimmerfenster zugezogen. Garage für ein Fahrzeug.« Sie verstaute den Kassettenrekorder wieder in ihrer Tasche und zog eine kleine Digitalkamera heraus. »Ist es okay, wenn ich Fotos mache?«
»Aber seien Sie diskret«, riet Alex ihr, als sie in die Einfahrt bogen.
Ohne den Dauerregen zu beachten, sprang Charley aus dem Wagen, noch bevor Alex den Motor ausgeschaltet hatte.
»Hier entlang«, sagte er, fasste ihren Ellbogen und führte sie
zur Haustür. Er klingelte und wartete. Nach zehn Sekunden klingelte er erneut.
»Sie weiß doch, dass wir kommen, oder?«, fragte Charley und wünschte, sie hätte den Rat ihrer Mutter befolgt und einen Schirm mitgenommen.
»Sie weiß Bescheid.«
Weitere zehn Sekunden verstrichen. Charley spürte, wie der Regen durch ihr seidenes Top sickerte. Noch zehn Sekunden und ihre Kleider wären durchnässt und ihre Haare würden wie ein Helm an ihrem Kopf kleben, was zusammengenommen ein denkbar unattraktiver Aufzug war, dachte sie, während Alex zum dritten Mal klingelte. »Vielleicht ist die Klingel kaputt«, vermutete sie, obwohl sie den Widerhall des Tons im Haus deutlich gehört hatte.
Alex klopfte. Nach wie vor keine Reaktion. »Warten Sie hier«, sagte er, ging um das Haus herum und öffnete das Gartentor.
»Wie lustig!«, murmelte Charley, als sie spürte, dass sie beobachtet wurde. Sie drehte sich langsam zum Nachbarhaus um.
Eine Frau stand in der offenen Haustür. Sie mochte etwa sechzig Jahre alt sein, obwohl ihr langes graues Haar sie möglicherweise älter wirken ließ, als sie war. Sie war leicht übergewichtig und trug einen Jogging-Anzug aus pinkfarbenem Nicki, auf dessen Reißverschlussjacke die Aufschrift JUICY GIRL prangte. »Was wollen Sie?«, rief sie.
Was geht Sie das an, wollte Charley erwidern, ließ es jedoch. Es war wahrscheinlich unklug, sich mit den Nachbarn anzulegen. Irgendwann wollte sie vielleicht mit ihnen reden, vor allem wenn Pam es sich anders überlegt hatte. Genau genommen wäre jetzt vielleicht kein schlechter Zeitpunkt, mit ihnen zu reden, entschied Charley, ging spontan durch den Vorgarten der Rohmers zum Nachbarhaus und schaltete auf dem Weg heimlich ihr Aufnahmegerät ein. »Ich wollte Pamela Rohmer besuchen. Wissen Sie, ob sie zu Hause ist?«
»Ich hab sie nicht gesehen.« Die Stimme der Frau war rau und kratzig, vermutlich infolge zu vieler Zigaretten im Laufe der Jahre, ein Eindruck, den ihre gelben Finger wie auch der abgestandene Zigarettengeruch bestätigte, der an ihrem Jogginganzug haftete. »Was wollen Sie von Pam?«
»Ich hatte einen Termin«, wich Charley der Frage aus, blickte sich nach Alex um und sah nichts als strömenden Regen. »Alex?«, rief sie. Wohin war er verschwunden? »Alex?«
»Sie können genauso gut einen Moment reinkommen«, sagte Juicy Girl. »Sie werden ja pitschnass.«
Charley drehte sich noch einmal um, bevor sie in den kleinen, braun mit goldenen Streifen tapezierten Flur trat. Sie trat die Schuhe auf einer alten Sisalmatte ab und schüttelte sich mit den Händen das Wasser aus den Haaren. »Vielen Dank, Mrs. …«
»Fenwick. Und Sie sind …?«
»Charley Webb.«
»Sie sind eine Reporterin?«
Charley versuchte weder allzu überrascht noch zu geschmeichelt zu wirken. Die Frau war offensichtlich kultivierter, als sie aussah, und hatte einen besseren Geschmack, als der braune Knautschsessel an der Wand vermuten ließ. »Ja. Lesen Sie die Palm Beach Post ?«
»Warum sollte ich die Palm Beach Post lesen?«, höhnte Mrs. Fenwick.
»Ich dachte bloß … Woher wussten Sie, dass ich Journalistin bin?«
»Was sollten Sie denn sonst sein?« Mrs. Fenwick verdrehte die Augen zu einer Deckenlampe, die vage an eine Dornenkrone gemahnte. »Ich hätte gedacht, Ihre Leute hätten mittlerweile genug. Ist nicht mehr viel Fleisch an den Knochen übrig.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, was sie meinen.«
»Ein Schwarm von Geiern«, führte Mrs. Fenwick aus.
»Reicht es nicht, dass Jill im Todestrakt sitzt? Wollt ihr die arme Pammy
Weitere Kostenlose Bücher