Die Katze
dass Sie das sagen. Waren Sie schon mal im Centro’s?«
»Nein. Wo ist das?«
»In der Nähe vom Pembroke Correctional. Vielleicht gehen wir dort nach dem Treffen mit Jill am Mittwoch essen.«
Lud er sie etwa gerade ein?, fragte Charley sich und wechselte rasch das Thema. »Ich wusste nicht, dass Sie am Mittwoch mitkommen«, sagte sie.
»Ich dachte, im Licht der jüngsten Ereignisse wäre es vielleicht eine gute Idee. Außerdem habe ich am Morgen einen Termin in Fort Lauderdale und könnte Sie im Gefängnis treffen. Natürlich nur, wenn Sie keine Einwände haben …«
»Nein. Keine Einwände.«
»Gut.«
Wieder entstand eine Lücke in ihrem Gespräch. Auf die Judds folgte die Band Alabama. » All I really got to do is live and die «, schmetterten sie schwungvoll.
»Wie viel wissen Sie eigentlich genau über das, was passiert ist?«, fragte Charley Alex.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wissen, dass Jill von ihrem Bruder sexuell missbraucht wurde«, stellte Charley fest.
»Ja.«
»Und auch, dass ihr Vater sie misshandelt hat.«
»Er hat sie geschlagen, ja.«
»Hat er sie auch sexuell missbraucht?«
Es entstand eine weitere Pause. »Das sollten Sie Jill besser selbst fragen.«
»Ich frage aber Sie.«
»Es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen.«
»Und wenn Jill sagt, dass es für sie in Ordnung ist, wenn Sie mit mir darüber sprechen?«
»Dann werde ich mit Ihnen darüber sprechen.«
Wieder schwieg er. Der letzte Refrain von Alabama verklang, gefolgt von den Nachrichten: Ein sechsjähriger Junge war bei einem Bootsunfall auf dem Intracoastal ertrunken; gegen einen Lokalpolitiker wurde im Zusammenhang mit Internetpornos polizeilich ermittelt; und die Kämpfe in Afghanistan waren wieder aufgeflammt. »Wie ist der Fall gelaufen, an dem Sie neulich gearbeitet haben?«, fragte Charley.
»Welcher war das noch mal?«
»Sie wissen schon, die ganze Welt gegen die Mutter …«
»Oh der«, sagte er mit einem listigen Lächeln. »Ich habe gewonnen.«
Dania lag direkt nur ein kurzes Stück vom Flughafen von Fort Lauderdale entfernt.
Jill hatte den Ort treffend beschrieben, dachte Charley, als sie die verlassene Hauptstraße entlangblickte und nichts als mit Brettern vernagelte Schaufenster sah. Ein Großteil der Gebäude sah aus, als würde er schon längere Zeit leer stehen, die Fassaden waren öde und trostlos, allenthalben blätterte Farbe ab, die Schaufensterbeschriftungen waren zerkratzt und teilweise unleserlich, die Scheiben selbst dunkel und schmutzverschmiert.
»Soweit ich weiß, gab es hier früher mal ganz viele Antiquitätengeschäfte«, sagte Alex. »Heute sind nur noch wenige Läden geöffnet.«
»Heißt es nicht Sammlerstücke ?«, fragte Charley, als sie an einem leeren Laden mit der Aufschrift ANTIQUITÄTEN & SAM-MELSTÜCKE vorbeifuhren.
»Vielleicht kann man beides sagen.«
»Sind Sie ein Sammler?«
»Ich habe als Kind mal Baseball-Karten gesammelt. Und Sie?«
Charley schüttelte den Kopf. »Meine Mutter hatte eine fantastische Sammlung von alten Puppen aus aller Welt. Mindestens hundert Stück. Manchmal habe ich mich in ihr Zimmer geschlichen und damit gespielt.«
»Hat sie sie noch?«
»Mein Vater hat sie weggeworfen, nachdem meine Mutter uns verlassen hatte. Als ich eines Tages aus der Schule heimkam, waren sie alle verschwunden. Anfangs habe ich gedacht, sie hätte sie vielleicht mitgenommen …« Charleys Stimme verlor sich. Sie erwartete, dass er nun die naheliegenden Fragen über ihre Familie stellte, aber entweder wollte er nicht aufdringlich sein, oder er war schlicht nicht interessiert.
»Was ist mit Antiquitäten?«, fragte er stattdessen.
»Was ist damit?« Warum war er nicht interessiert?
»Mögen Sie die?«
»Nicht besonders.« Hatte er sie nicht eben irgendwie zum Essen eingeladen? War er verstimmt, weil sie nicht geantwortet hatte? »Und Sie?«
»Ich habe den Reiz nie verstanden. Ich bin lieber der Originaleigentümer.«
»Das würde zumindest die Wahl Ihres Fahrzeugs erklären.«
Alex lachte. »Ob Sie es glauben oder nicht, dieser Wagen war einmal funkelnagelneu. Ich habe ihn bar bezahlt, das Geld hatte ich jahrelang gespart. Ich wollte immer ein Cabriolet, und jetzt bringe ich es einfach nicht übers Herz, mich davon zu trennen.« Am Ende der Straße bog er rechts, dann gleich wieder links ab. Wenig später hatten sie die Innenstadt hinter sich gelassen und kamen in ein weniger dicht besiedeltes Viertel. »Die Rohmers wohnen da vorne«, sagte er
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