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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Jahr, weil die Witterung schlechter wurde – und vielleicht auch das letzte für lange Zeit, denn die Kriegsvorbereitungen liefen. Herr, mach, dass es irgendwann möglich ist, dachte sie.
    Ein Geräusch riss sie aus ihren sehnsuchtsvollen Gedanken.
    Hintz hatte die ganze Zeit über bei der Tür verharrt und sah sie unverwandt an. Jetzt beeilte er sich fortzukommen.
    »Und du hast wirklich gesehen, dass sie den Brief auch geöffnet und gelesen hat?«, fragte Herward von Ranneberg.
    Kerzenlicht flackerte unruhig im Gasthaus »Zum Einhorn«. Es war noch nicht einmal besonders spät, aber die Tage waren so kurz geworden, dass man den Eindruck hatte, die Sonne würde schon wieder untergehen, kaum dass sie mühsam über den Horizont gekrochen war – vorausgesetzt sie war überhaupt zu sehen und blieb nicht den ganzen Tag hinter einem Schleier aus grauem Dunst verborgen.
    Herward beugte sich etwas vor. Auch die anderen Männer am Tisch studierten sehr aufmerksam jede Regung im Gesicht des Laufburschen aus dem Haus von Dören.
    »Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen«, stellte Hintz klar und schluckte. Er schien nicht zu verstehen, warum das für diese Männer so wichtig war. Er hatte einen Brief überbracht wie schon hundert- oder tausendmal zuvor. Das war alles – bis auf eine Kleinigkeit: Dieser Brief hatte einen Umweg genommen. Hintz hatte ihn nicht sofort seiner Herrin gebracht, sondern war damit zunächst zum »Einhorn« gegangen.
    »Gib ihm, was er verdient hat«, sagte nun einer der anderen Männer. Hintz kannte ihn. Es war der Rigafahrer und Rosenkranzhersteller Endreß Frixlin. Auch in sein Haus hatte Hintz schon wiederholt Botschaften überbracht. Ihn hier und jetzt zu treffen verwunderte den Laufburschen zwar, aber wer war er schon, dass er gewagt hätte, Fragen zu stellen.
    Herward ließ daraufhin eine Goldmünze über den Tisch rollen. Sie fiel auf den Boden, und Hintz bückte sich danach. Herward lächelte zufrieden – und auch auf dem Gesicht von Endreß Frixlin zeigte sich ein breites Lächeln.
    Ein Goldstück! Hintz hielt es ins flackernde Licht, sah den warmen, gelblichen Schimmer und fühlte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Dies war der größte Schatz, den er je besessen hatte. Ein Schatz, den er für schlechte Zeiten aufbewahren würde und der ihm vielleicht die Möglichkeit gab, irgendwann einmal etwa anderes anzufangen, als nur Laufbursche zu sein.
    »Du wirst kein Wort sagen, hörst du?«, forderte Endreß Frixlin mit sehr strengem Tonfall.
    Hintz sah ihn ängstlich an.
    »Das weiß er«, mischte sich Herward ein. »Und auch, dass es ihm sehr schlecht gehen könnte, wenn sein Mund nicht verschlossen bliebe.«
    »Ich werde schweigen«, versprach Hintz.
    »Vergiss das nicht!«, befahl Herward.
    »Und wer weiß, vielleicht gibt es hin und wieder einen Grund, dir ein weiteres Goldstück zu zahlen«, ergänzte Endreß Frixlin.
    »Ja, Herr«, gab Hintz zurück.
    »Du kannst gehen«, erklärte Herward.
    Hintz verneigte sich tiefer, als es üblich war, und ging zur Tür hinaus.
    »Es ist gut, ein Auge und ein Ohr auf der anderen Seite zu haben«, meinte Herward. »Lieber wäre es mir allerdings, wir hätten Ähnliches auch im Haus unseres Bürgermeisters.«
    »Den Bürgermeister wird niemand stürzen können«, sagte Endreß. »Zumindest im Moment noch nicht. Dazu wird er von zu vielen unterstützt. Aber wenn wir unsere Angriffe auf Moritz von Dören, seinen getreuen Gefolgsmann, richten, werden wir auch den selbstherrlichen Warendorp gehörig schwächen.« Endreß deutete auf ein Pergament, nahm es und faltete es auseinander. »Die Kopie eines abgefangenen Briefes. Sein Inhalt wird der Bolzen für die Armbrust sein, die wir auf diejenigen richten, die unser Geld für einen sinnlosen Kampf gegen Waldemar verschwenden wollen!«
    »Ich würde Euch raten, nicht mehr allzu lange zu warten!«, sagte Herward daraufhin. »Sonst ist die Stadt bereits bankrott, bevor Ihr etwas unternommen habt – und ehrbare Kaufleute wie Ihr werden es dann bezahlen müssen!«
    »Keine Sorge«, versicherte Endreß Frixlin. »Wir wissen, was wir tun …«
    »Sprecht nicht im Plural von Euch, bevor Ihr nicht ganz oben seid, Endreß!«, stichelte Herward.
    »Ich bin keineswegs allein, wie Ihr inzwischen begriffen haben solltet, Herward.«
    Der Angesprochene nickte langsam. »Dann kann ich mich auf Euch verlassen?«
    »Voll und ganz.«
    »Ich werde nicht mehr lange in Lübeck bleiben können. Sobald es die

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