Die Kaufmannstochter von Lübeck
hatte.
Johanna stellte schnell fest, dass auch Bruder Emmerhart zugegen war. Sie sah ihn kurz mit Endreß Frixlin und Auke Carstens dem Älteren sprechen. Endreß gestikulierte dabei auffällig erregt.
Die Ratssitzung verlief zunächst ohne besondere Vorkommnisse. Doch dann wurde plötzlich die Tür aufgestoßen, und Herward von Ranneberg schritt in Begleitung mehrerer bewaffneter Begleiter herein. Ein Schwall kalter Luft drang mit ihnen in den Saal.
Alle Anwesenden drehten sich zu den Eindringlingen um. Nur Endreß und Auke der Ältere schienen keineswegs erstaunt zu sein, wie Johanna sofort auffiel. Und auch Bruder Emmerhart verzog keine Miene.
Herward machte seinen Männern ein Zeichen, woraufhin sie zurückblieben. Er kann erst seit kurzem wieder in der Stadt sein, sonst hätte ich rechtzeitig von seiner Rückkehr erfahren, ging es Johanna durch den Kopf. Mochte der Teufel wissen, was er in Holstein oder noch weiter nördlich getrieben hatte! Womöglich hat er sich des Wohlwollens dessen versichert, in dessen Dienst er offenbar stand – Waldemar!
Die Wächter hatten ihn nicht davon abgehalten, in den Ratssaal vorzudringen. Zwar war die Sitzung öffentlich, aber ein Haufen Bewaffneter hätte trotzdem Aufsehen erregen müssen. Das konnte nur bedeuten, dass auch die Wächter eingeweiht und womöglich bestochen worden waren. Johanna blickte ein weiteres Mal kurz zu Auke Carstens dem Älteren und Endreß Frixlin hinüber. Auch sie waren offensichtlich eingeweiht.
»Was fällt Euch ein, den Frieden dieses Rates zu stören!«, donnerte nun die Stimme von Brun Warendorp durch den Raum.
Herward ließ sich davon nicht beeindrucken. Ein schiefes Lächeln spielte um seine Lippen. Seine Hand legte er um den Schwertgriff, seinen Mantel schlug er zurück. »Erinnert Euch an mich, Brun Warendorp! Wir kennen uns aus Köln vom Hansetag!«
»Wie könnte ich das vergessen«, knurrte der Bürgermeister.
»Und für alle hier, denen ich nie zuvor begegnet bin: Mein Name ist Herward von Ranneberg, und ich bin Ratsgesandter aus Köln!«
»Also ein Verbündeter!«, stellte Endreß Frixlin laut und deutlich klar – was umso auffälliger war, als Endreß sich sonst in Ratsdebatten ja eher zurückhielt und andere für sich sprechen ließ.
Brun Warendorps Augen wurden schmal. Für einen Moment zeigte sich unübersehbar Misstrauen in seinen Zügen, ehe er sie wieder so unter Kontrolle hatte, dass sie undurchdringlich wirkten. »Sprecht Ihr für den Rat der Stadt Köln, oder seid Ihr aus eigenem Interesse nach Lübeck gekommen?«
»Ihr wisst doch noch viel besser als ich, werter Brun, dass das eine vom anderen nicht zu trennen ist, oder?«
»Bisweilen muss man es sehr scharf voneinander trennen.«
»Ich will Eure Versammlung nicht länger als notwendig stören, aber man sollte hören, was ich zu sagen habe, denn das ist auch für die Bürger Lübecks wichtig.«
»So sprecht!«
»Ich weiß nicht, wie viel man in dieser Versammlung über den Tod unseres Diplomaten Pieter van Brugsma dem Jüngeren aus Antwerpen weiß. Er war unterwegs, um eine möglichst breite Unterstützung für die Konföderation gegen König Waldemar zu erhalten, und ich war dabei, als er von einem Mörder erschlagen wurde. Das Haupt hat man ihm vom Hals getrennt, wie man es mit einem gemeinen Schurken zu tun pflegt.«
»Ihr habt diese Geschichte ausführlich auf dem Hansetag geschildert«, unterbrach ihn Brun Warendorp. »Ich sehe keinen Anlass, warum Ihr Euch vor dieser Versammlung nun wiederholen müsst!«
»Oh, der Anlass ist schon da!«, widersprach Herward. »Er hat mit Verrat gegen die Stadt Lübeck, gegen die Hanse und gegen unser Bündnis zu tun!«
Ein Raunen ging jetzt durch den Raum.
»Wir sollten diese Angelegenheit hinter verschlossenen Türen besprechen und alle des Saals verweisen, die keine Ratsherren sind!«, verlangte nun Ratsherr Breno Lührsen der Ältere. Doch dagegen gab es heftigen Widerstand.
»Damit nichts davon bekannt wird und der Schmutz unter den Teppich gekehrt werden kann?«, rief Endreß Frixlin ganz gegen seine gewohnte Zurückhaltung. »Das kommt nicht in Frage! Es soll jeder wissen, was es zu beklagen gibt!«
»Jawohl, heraus damit!«, forderten mehrere andere Stimmen.
»Der Mann, der diesen schändlichen Mord beging, um sich selbst Vorteile durch König Waldemar zu erkaufen, trägt den Namen Frederik von Blekinge. Er floh auf geheimnisvolle Weise aus dem Kerker in Köln und muss dabei Helfer gehabt haben. Und die
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