Die Kaufmannstochter von Lübeck
haben – und in der letzten Nacht wohl auch die Festung Helsingör auf der anderen Seite des Öresunds.«
»Und jetzt …«
»… ist Helsingborg dran, so scheint es.«
Sie hatten schließlich die Zinnen des Turms erreicht. Dort hielten Mönche während der Nacht ein Signalfeuer in Flamme, um den Schiffen auf dem Öresund zur Orientierung zu dienen. Bei Tag war es wohl eher eine Mahnung, nicht die Zahlung des Sundzolls zu vergessen und sich somit der Verfolgung durch König Waldemars Schergen auszusetzen. Gerade wenn starker Nebel herrschte, kam wohl immer mal wieder ein Kapitän in Versuchung, es doch zu versuchen – was in den meisten Fällen fehlschlug und mit strengen Strafen geahndet wurde.
Frederik und Johanna betraten die zinnenumwehrte Plattform und schauten in die Ferne. Das andere Ufer des Öresunds war deutlich zu sehen. Ein grünes Band, das den Küstenverlauf auf der seeländischen Seite andeutete. Und man sah eine schwarze Säule in den Himmel steigen. Wie ein gewaltiges Menetekel kommenden Unheils schraubte sie sich den Wolken entgegen. Dort, wo ihr Ursprung war, loderten Flammen.
»Das ist Helsingör«, sagte Frederik.
Ungefähr drei Dutzend Segel waren etwa in der Mitte zwischen der seeländischen und der schonischen Küste zu sehen: Hansekoggen. Selbst auf diese Entfernung erkannte Johanna dies sofort. Jetzt wird es ernst mit allem, was damals in Köln verhandelt wurde! , ging es ihr durch den Kopf.
V ierunddreißigstes K apitel
Helsingborg soll fallen
Ein wahrer Geschosshagel empfing die Schiffe der Hanse. Mehrere Segel wurden durch Brandpfeile entzündet, aber die meisten der schwereren Steingeschosse und Springaldbolzen verfehlten ihre Ziele und fielen ins Wasser der Nordsee. Andere Geschosse gingen zu früh nieder und zerstörten einige Häuser in der Stadt oder die wenigen eigenen Schiffe, die noch im Hafen lagen. An einer Landung konnten die Lübecker jedenfalls nicht gehindert werden.
Bürgermeister Brun Warendorp persönlich befehligte die Flotte. Als er zusammen mit seinem neuen Stellvertreter Casjen Hinrichs an Land ging, hatten mehr als zweitausend Söldner bereits die ganze Stadt kampflos eingenommen. Es war so gut wie niemand dort zurückgeblieben. Selbst die streunenden Hunde schienen sich in die höher gelegene Festung zurückgezogen zu haben.
Immer noch flogen Katapultgeschosse durch die Luft und schlugen wahllos ein. Aber dieser Beschuss verebbte bald, denn man wollte nicht unnötig die eigene Stadt zerstören, die den Angreifern jetzt zur Deckung diente. Außerdem musste man mit dem Verschießen der eigenen Munition zurückhaltend sein, schließlich konnte ja niemand voraussagen, ob man sich nicht auf eine lange Belagerung einzustellen hatte.
»Ich will, dass auch die Landseite der Festung abgeriegelt wird«, wandte sich Brun Warendorp an Casjen Hinrichs.
»Sollen nicht die Truppen von König Albrecht von Norden her vordringen?«, fragte Hinrichs, dem ein Auge fehlte und der daher eine mit dem Wappen Lübecks verzierte Lederklappe trug.
»Keiner von uns weiß, ob der Schwede sein Wort hält oder ob seine Männer nicht doch noch irgendwo durch ein paar Dänen aufgehalten wurden. Ich will da lieber sichergehen. Und Männer genug haben wir ja, um dafür zu sorgen, dass keine Maus die Festung zu verlassen vermag.«
»Wie Ihr meint, Bürgermeister.«
Brun Warendorp ballte die Hände zu Fäusten. »Helsingborg muss übergeben werden«, sagte er. »Koste es, was es wolle. Das ist entscheidend für den gesamten Krieg.«
»Wir hatten keine Schwierigkeiten, Kopenhagen und Helsingör zu nehmen«, erwiderte Hinrichs.
»Aber Helsingborg ist schwieriger zu nehmen«, gab Brun Warendorp zu bedenken. Er sagte das nicht einfach so dahin. Schon vor langer Zeit hatte er sich über Mittelsmänner und Spione Pläne der Festungsanlage zeichnen lassen. Und so hatte er von Anfang an sehr genau gewusst, worauf er sich bei diesem Unternehmen einließ.
Nicht umsonst hatte Warendorp dafür gesorgt, dass die Flotte zahlreiche Belagerungsmaschinen mit sich führte. Dafür war er zuvor im Rat stark kritisiert worden, man hielt das für überflüssig und kostspielig. Aber Warendorp hatte darauf bestanden, denn ihm war klar gewesen, dass man Helsingborg nicht einfach mit ein paar entschlossenen Söldnern überrennen konnte. Die Verteidiger der Festung hatten viel bessere Bedingungen, um einer Belagerung länger standzuhalten. Und vor allem waren sie darauf eingestellt, denn auch Waldemar
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