Die Kaufmannstochter von Lübeck
wenn eine teure Streitmacht aufgestellt wird, nur weil die Lübischen und ein paar andere ihre satten Gewinne nicht durch einen kleinen Durchfahrtszoll des Dänenkönigs geschmälert sehen wollen?«
» Ihr braucht diesen Zoll ja auch nicht zu entrichten«, entgegnete Brun Warendorp in einem ziemlich galligen Tonfall. In Wahrheit ging es auch gar nicht um ein paar Zolltaler, sondern darum, dass die Hanse erpressbar geworden war. Allerdings hatte es wenig Sinn, so gegenüber dem Soester zu argumentieren. Für den war das alles ohnehin ein rein lübisches Problem. Und so fuhr Brun Warendorp fort: »Allerdings werdet auch ihr Soester damit rechnen müssen, dass viele Waren in Zukunft teurer werden und vielleicht sogar gar nicht mehr bis zu den Mauern eurer Stadt gelangen.«
»Teuer! Ein gutes Stichwort!«, lobte Reginald Schreyer mit so durchdringender Lautstärke, dass ein Teil von Brun Warendorps Worten überdeckt wurde. Er wandte sich an die beiden Kölner Bürgermeister. »Wissen die Bürger Eurer Stadt, dass sie mehr für den Wein bezahlen müssen, weil Ihr den Lübischen einen Krieg bezahlen wollt?«
»Das ist unerhört!«, rief Heinrich von der Ehren. Ihn hielt es nicht länger auf seinem Stuhl. Er sprang auf und rief: »Kein Wort davon ist wahr!«
»Dann plant Ihr also nicht insgeheim, dem Weinhandel unserer Klöster und der Klöster des Domkapitels in Zukunft keine Steuerbefreiung mehr zu gewähren?«, fragte der Ratsgesandte aus Soest mit schneidender Stimme.
»Wir verhandeln hier nicht den Weinhandel der Geistlichkeit«, erklärte Heinrich von der Ehren ärgerlich und schlug mit der flachen Hand laut auf den Tisch. Zornesröte hatte das Gesicht des Bürgermeisters überzogen. Der Blick, den er mit seinem Amtskollegen Mathias Overstolz tauschte, sah allerdings ziemlich ratlos aus.
»Darüber redetet man bereits seit Längerem«, flüsterte unterdessen Moritz von Dören seiner Tochter zu. »Die Pfaffen sollen für den Wein, den sie verkaufen, Steuern bezahlen, wie jeder andere Händler auch; bezahlen werden das aber natürlich nicht nur die Männer der Kirche, sondern jeder, der Wein trinkt. Und das sind hier viele, mein Kind …«
Im Saal brach jetzt ein regelrechter Tumult los.
»Wollt Ihr einen Bürgerkrieg entfachen, Reginald aus Soest, den man nicht umsonst den Schreyer nennt?«, rief jemand von den hinteren Stehplätzen. Weder Johanna noch Moritz konnten den Rufer sehen, aber das daraufhin aufbrausende Stimmengewirr zeigte, dass dessen Worte hier und da auf Resonanz stießen, und zwar nicht nur bei den anwesenden Kölnern, sondern auch bei zahlreichen Vertretern der kleineren Städte an Rhein und Ruhr, die ihren Bedarf allesamt überwiegend bei den geistlichen Weinhändlern aus Köln stillten.
»Ihr braucht doch nur zu sagen, dass ich die Unwahrheit spreche!«, rief Reginald Schreyer nun. »Aber das könnt Ihr nicht, denn spätestens, wenn Ihr Euch anschickt, Eure Pläne in die Tat umzusetzen, wird jeder sehen, was für ein Lügner Ihr schon jetzt gewesen seid! Jawohl: Lügner! Und dann wird sich nämlich erweisen, was es kostet, gegen die Dänen Krieg zu führen! Jeder wird das in seiner eigenen Tasche spüren, auch wenn wir froh sein können, dass niemand von uns erwartet, selbst tätig zu werden und zur Waffe zu greifen!«
»Gegen wen auch immer«, murmelte Moritz von Dören vor sich hin.
Johanna hatte ihren Vater selten so angespannt erlebt. Aber sie konnte ihn gut verstehen. Hier auf diesem Hansetag entschied sich nicht nur das Schicksal des Städte- und Kaufmannsbruderbundes. Hier entschied sich vielleicht auch die Zukunft des Hauses von Dören.
Nicht zum ersten Mal waren die Beratungen schon nach kurzer Zeit vollkommen festgefahren. Es wurde nur noch gestritten, und die beiden Bürgermeister von Köln bemühten sich zwar redlich, aber letztendlich vergeblich darum, die Ordnung einigermaßen aufrechtzuerhalten. Wüste Beschimpfungen wechselten zwischen den Ratssendboten hin und her, und manchmal schien der eine oder andere kurz davor, zu seinem Zierschwert zu greifen.
»Vater, das wird in einer Katastrophe enden«, glaubte Johanna, als sich die Gemüter immer mehr aufheizten.
Aber auch ein so erfahrener Ratsherr wie Moritz von Dören wirkte in dieser Situation hilflos. Brun Warendorp versuchte, durch Stimmgewalt das Wort zu erringen – erfolglos! Und Bruder Emmerhart appellierte ebenso vergeblich an die Brüderlichkeit unter Christen.
Schließlich war es Mathias Overstolz, der die
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