Die Kaufmannstochter von Lübeck
überlegenes Lächeln stand in seinem Gesicht, denn er wusste anscheinend genau, welche Wirkung von diesem besonderen Heilmittel auszugehen pflegte. »Ich kann Euch sagen, dass es nicht einfach war, die Zutaten zu besorgen. Es ist nicht einfach damit getan, Mandeln und Zucker zu nehmen und irgendwie zu mischen. Da gibt es noch ein paar Feinheiten, die nur wenige kennen und die doch den Unterschied ausmachen.«
»Könige würden Euch reich belohnen«, stellte Johanna fest. »Warum tretet Ihr nicht in die Dienste einer hohen Herrschaft, um sie mit dieser süßen Speise zu mästen, von der man nur schwer wieder lassen kann …« Während Johanna diese Worte sprach, hatte Grete bereits erneut die Hand in Richtung des Krugs ausgestreckt, den Meister Andrea immer noch im Arm hielt. Doch sie zog ihre Hand gleich wieder zurück. Allzu sehr wollte sie dann doch nicht als die begehrlichere dastehen.
»Nun, ich würde meine Dienste jedem anbieten, der mich dafür angemessen bezahlt«, sagte Meister Andrea. »Aber das ist nicht ganz ungefährlich. So mancher Alchemist wurde schon in dunklen Kellergewölben auf irgendeiner Burg eingesperrt, um dort aus Dreck Gold zu machen. Warum sollte es mir da besser gehen?« Meister Andrea schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nein, das zahme Haustier eines adeligen Burgherren zu sein, das würde mir nicht gefallen. Ich brauche die Stadtluft. Venedig, Prag, Köln …«
»Und vielleicht auch Lübeck?«, fragte Bruder Emmerhart.
»Wenn der Preis stimmt«, lächelte Meister Andrea. Dann griff er in den Krug und nahm eine der letzten Marzipankugeln heraus. »Gebt mir eine Küche und die Zutaten, die ich benötige! Es müssen gute Zutaten ein. Viel Zucker und Mandeln aus Frankreich … Dann bin ich in der Lage, solche Wunder zu erschaffen, wie Ihr sie gerade an Euren Gaumen gespürt habt!«
»Ihr versündigt Euch«, sagte Johanna. »Wunder tut nur der Herr – alles andere wäre eine Lästerung seines Namens.«
»Er hat es nicht so gemeint«, meinte Moritz.
»O doch, das hat er«, widersprach Johanna. »Und ich denke, er will durch seine Reden den Preis in die Höhe treiben, den er für seine Dienste verlangen kann.«
Meister Andrea lächelte. »Ihr könnt Euch sicher sein, dass ich jeden Taler, den Ihr mir zahlt, wert sein werde.«
Nachdem sie die Schenke verlassen hatten, brach ziemlich bald ein Streit zwischen Bruder Emmerhart und Moritz aus.
»Die Zeiten sind unsicher, wir stehen vor einem Krieg mit Dänemark – ob wir ihn nun hier auf dem Hansetag erklären oder darauf warten, dass König Waldemar ihn beginnt, ist dabei einerlei. Da sollte man mit Investitionen vorsichtig sein und das Geld zusammenhalten …«
»Die Dienste dieses Mannes sind jetzt noch preiswert zu haben, aber das wird sich gewiss noch ändern«, glaubte Bruder Emmerhart. »Also müssen wir uns seiner jetzt versichern. Ich würde es auf eigene Faust tun, wenn ich die nötigen Mittel dazu hätte. Aber ich fürchte, dass ich da auf Eure Hilfe angewiesen bin. Dabei ist dieser dahergelaufene Streuner, der offenbar schon an vielen Orten sein Glück versucht hat, nicht einmal der teuerste Faktor, sondern …«
»… die Zutaten, ich weiß«, gab Moritz zurück. »Zumindest, wenn man es auf die Dauer rechnet.«
»Es wird unser beider Schaden nicht sein, Moritz.«
Johanna und Grete gingen ein paar Schritte hinter den Männern her, und keine von ihnen schien besonderen Wert darauf zu legen, dass sich der Abstand zu ihnen verkleinerte. Stattdessen wurde er mit der Zeit sogar größer. Eigentlich hätten sie sich aussprechen sollen, aber anscheinend erwartete jede von der anderen, dass sie den ersten Schritt tat.
»Ich neide dir nichts, Grete«, sagte Johanna schließlich. »Das kannst du mir glauben oder auch nicht, ganz wie du willst.«
»Johanna, ich …«
»Ich gönne dir jedes Glück und hoffe, dass du so viel davon finden wirst, wie es nur irgend geht – aber wie du auf den Gedanken kommen kannst, dass ich dir etwas davon neide, das verstehe ich nun wirklich nicht.«
»Wir sind sehr unterschiedlich, Johanna«, sagte Grete nach einer Pause des Schweigens, und nachdem Bruder Emmerhart ein paar Bettler und fliegende Händler mit sehr barschen Worten davongejagt hatte.
»Ja, wir sind unterschiedlich«, nahm Grete schließlich den Gesprächsfaden wieder auf. »Ich zum Beispiel bewundere, wie überlegt du handelst – und mit welcher Klarheit du alles durchdenkst. Und ich kenne niemanden, der die
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