Die Kaufmannstochter von Lübeck
ich kann es nicht!«
»Wenn Ihr glaubt, dass ich das vergessen habe, dann irrt Ihr Euch aber gewaltig!«
»Ihr habt kein Gelübde abgelegt, Johanna. Und denkt einmal über folgenden Punkt nach: Wenn es wirklich Eure Bestimmung wäre, ins Kloster zu gehen, dann hättet Ihr das längst tun können.«
»Mein Vater … Seinetwegen habe ich diese Entscheidung immer wieder verschoben, denn er braucht meine Hilfe!«
»Da belügt Ihr Euch selbst. Es gibt mehr als genug Schreiber, und Euer Vater hat gewiss die Mittel, davon so viele einzustellen, wie er braucht, um auf einem Hansetag die Interessen Lübecks zu vertreten oder mit irgendeinem Krämer einen Handel abzuschließen. Nein, Johanna, dafür benötigt er Euch nicht.«
»Wie könnt Ihr so etwas sagen?«
»Vielleicht hat Euer Vater viel eher erkannt, dass dies nicht Euer Weg ist, als Ihr selbst.«
»Väter wünschen sich Enkelkinder – aber für mich ist nur entscheidend, was der Herr wünscht.«
»Redet Euch das nicht länger ein, Johanna.«
Was Frederik sagte, klang so einfach und einleuchtend. Was wäre leichter gewesen, als seinem Drängen einfach nachzugeben? Und was ihren Vater betraf, der hätte wohl gar nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn sie ihren Entschluss für ein klösterliches Leben widerrufen hätte. Schließlich hatte der ja schon seinerseits einiges versucht, um sie zu überzeugen, den Weg, den sie sich vorgenommen hatte, nicht zu beschreiten.
»Ich werde jetzt hinausgehen und Euch in Ruhe mit Eurem Gott in Zwiesprache treten lassen«, sagte Frederik schließlich. »Beratet mit ihm, was Ihr tun wollt und welches Leben er für Euch bestimmt haben mag. Aber vergesst nicht, dass man dem Herrn auf mehr als eine Weise dienen kann und dass es keineswegs nur im Kloster möglich ist, ein frommes und gottgefälliges Leben zu führen.«
Mit diesen Worten verließ Frederik sie. Sie hörte seine Schritte im Domgewölbe verhallen und zwang sich dazu, sich auch jetzt nicht umzudrehen. O Herr, schick mir ein Zeichen, dachte sie. Aber hatte sie sich in Wahrheit nicht längst entschieden? Gab es etwas, was diese überaus starke Empfindung in ihr hätte dämpfen können? Sie fühlte dieses heftige Verlangen noch immer, und im Innersten ihres Herzens ahnte sie, dass es unstillbar war.
Frederik von Blekinge atmete tief durch, nachdem er den Dom verlassen hatte. Der Wahnsinn musste ihn geritten haben, sich auf diese Liebe einzulassen und gegen alle Vernunft daran festzuhalten, obwohl es doch augenscheinlich ziemlich aussichtslos war, Johanna von Dören von der Überzeugung abbringen zu können, ihr Leben im Kloster verbringen zu müssen.
Aber er wollte dieses Spiel einfach noch nicht aufgeben.
Ein Reiter kam in rasantem Galopp daher, der Hufschlag seines Pferdes klapperte laut auf dem harten Pflaster. Das Pferd dampfte förmlich und machte den Eindruck, einen sehr langen, harten Ritt hinter sich zu haben.
Der Reiter trug einen Mantel mit Pelzbesatz. Frederik sah ihm stirnrunzelnd entgegen, während der Ankömmling den Blick erwiderte und schließlich sein Pferd zügelte.
»Herward!«, rief Frederik. »Herward von Ranneberg! Auch wenn es schon ein paar Jahre her ist, dass wir uns in Helsingborg trafen, solltet Ihr Euch eigentlich an mich erinnern!«
Herward von Ranneberg stieg vom Pferd. »Natürlich erinnere ich mich an Euch! Ihr wart noch ein Jüngling, als Euer Vater und Ihr in unserem Kontor in Helsingborg zu Gast wart«, gab Herward zu.
»Ja, das war vor dem ersten Krieg, den Waldemar vom Zaun gebrochen und der meine Familie um ihren Besitz gebracht hat!«
»Wie geht es Eurem Vater?«
»Er starb am Fieber, nachdem wir ins Reich von König Albrecht nach Schweden fliehen mussten. Dass Waldemar unsere Besitzungen an getreue Schlächter aus seinem Heer verteilt hat, konnte er nie verwinden.«
»Das tut mir leid«, sagte Herward. »Ich habe Euren Vater immer geschätzt, und wir haben stets gute Geschäfte miteinander gemacht.«
»Euer Kontor in Helsingborg wird man sicher auch geschlossen haben.«
»Alle auswärtigen Kaufleute haben dort ihre Privilegien verloren. Aber vielleicht wird es gelingen, das Verlorene zurückzugewinnen.« Herward schnallte eine der Satteltaschen ab und hängte sie sich über die Schulter. Frederik bemerkte dunkle Flecken im Leder, deren Herkunft er erahnte: getrocknetes Blut.
Herward rief einen der Bettler herbei, die wie immer in der Umgebung des Doms zu finden waren. Der verwachsene Zwerg kam herbei, und Herward warf
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