Die Keltennadel
David.
»Nun gib Acht«, sagte er und nahm ihr das Halstuch ab, als sie zu ihm vor das Podest trat, auf dem ihr breites Bett stand. Er warf das Tuch in die Luft, und als es abwärts schwebte, drehte er die Schwertklinge mit der scharfen Seite nach oben und hielt die Waffe vor sich gestreckt. Das Halstuch landete auf der Klinge, wurde für einen winzigen Moment in seinem Fall aufgehalten und sank dann in zwei Hälften auf den Boden. Becca war beeindruckt.
»Die Schneide ist so fein, dass sie in dieser Welt fast nicht existiert«, sagte er bewundernd. »Zu schieren Stahlatomen geschliffen von einem Krieger, der auch ein geistiger Lehrer war. Ein Zeremonienschwert, das zu unserer Übung passt.«
Er nahm sie bei der Hand und führte sie die zwei Stufen auf das Podest hinauf zum Bett. Dann legte er das Schwert auf den purpurnen Satinbezug, streckte sich auf einer Seite des Bettes aus und bedeutete ihr, sich ebenfalls hinzulegen.
Zuerst lag sie steif da, dann entspannte sie sich und fühlte die Wärme seines Körpers, der ihrem nahe war, ihn aber nicht berührte. Sie sandte keine Signale in seine Richtung aus, deshalb handelte es sich als Übung im Widerstehen von Versuchung schwerlich um eine echte Herausforderung, es sei denn, er war sehr leicht erregbar.
Nach einigen Minuten des Schweigens begann er über die Askese der Wüstenmönche zu sprechen, über die Versuchungen des heiligen Antonius und die klösterlichen Disziplinen Ägyptens, die von der frühen keltischen Kirche übernommen wurden. Becca wurde schläfrig und bekam nur noch einzelne Brocken seines Monologs mit, bei dem er es irgendwie schaffte, Yeats und den Fortgang der Weltgeschichte mit einzubeziehen. Etwa eine Stunde später wachte sie auf und merkte an dem noch warmen Körperabdruck neben ihr, dass er soeben den Raum verlassen und das Schwert mitgenommen hatte.
Die nächste Gelegenheit, bei der sie das Lager teilten, war an einem warmen Abend im Spätsommer. In der duftgeschwängerten Luft des Raumes war selbst das Leinengewand zu heiß, und Becca verschaffte sich Erleichterung, indem sie es vorn aufknöpfte und öffnete. Sie merkte, dass er den Kopf auf ein Kissen gestützt hatte und sie ansah.
»Du brauchst wegen deiner Nacktheit keine Zurückhaltung zu üben«, sagte er. »Wenn du glaubst, ich bedarf weiterer Prüfungen, so hast du als meine Seelengefährtin das Recht dazu. Aber du darfst mich nie berühren oder dich mir hingeben. Das wäre… unser Ende.«
Und dann erzählte er ihr von seiner Bewunderung für den Gelehrten Orgien, den größten Denker der frühen griechischorthodoxen Kirche, der sich kastrieren ließ, damit er Frauen unbefangener als Priester dienen konnte, und sie erfuhr, dass die Mönche einen Gürtel um ihre Lenden trugen, der ihre Ablehnung alles Unreinen ausdrücken sollte.
Tonfall und Klang seiner Stimme, mit der er nüchtern Beispiele für die Unterdrückung der Sexualität psalmodierte, wirkten seltsam erregend auf Becca. Diesmal schlief sie nicht ein, und nach einer Stunde der Stille bemerkte sie, dass sein Atem tief und gleichmäßig ging, als befände er sich in Trance. Irgendwann stöhnte er, und seine Hand krallte sich in das Laken, auf dem sie beide lagen. In Becca flackerte eine Empfindung auf, die wie ein Fangarm nach ihr zu greifen schien. Kurz darauf stand er auf und verließ den Raum. Von da an freute sie sich auf ihre Begegnungen.
Manchmal trug sie das Gewand, manchmal trug sie nichts, manchmal befühlte sie ihren Körper durch das Material hindurch oder ließ ihre Hände darunter gleiten und berührte die Rundungen ihrer Brüste, ihren weichen Bauch, oder gleich neben sich den flachen, unnachgiebigen Stahl des Samuraischwerts. Manchmal stöhnte sie auch vor Lust.
Davids Reaktion war stets dieselbe. Obwohl sie ihn niemals nackt sah und obwohl er bisweilen sogar knurrte wie ein Tier, glaubte sie nicht, dass er körperlich erregt wurde. Ihr selbst aber hatte das »Schwert der Begierde« einen Zugang zu ihrer Sinnlichkeit eröffnet.
In jener Nacht jedoch, nachdem sie sich gestritten hatten, ging etwas schief. Vielleicht hatte sie ihr Bemühen übertrieben, ihn für die vorhergehende Auseinandersetzung zu entschädigen.
Sie wusste, je mehr sie ihn in Versuchung führte, desto größer war seine Leistung, wenn er nicht reagierte. Auf diese Weise wurde der geistige Nutzen gemessen.
Becca war parfümiert und in einem seidenen Kimono in dunkelstem Rosa aus dem Badezimmer gekommen. Am Fußende des Bettes
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