Die Keltennadel
ihm die Untersuchung zu entgleiten drohte. Und die gerade zu Ende gegangene Besprechung hatte seine Befürchtungen bestätigt.
Taaffe hatte an der Zusammenkunft nicht teilgenommen. Er war in Kilbride, um die routinemäßige Suche rund um Lavelles Haus zum Abschluss zu bringen, die seit dem Zwischenfall lief, und Dempsey wartete bereits auf seine Rückkehr. Er zündete sich eine weitere Zigarette aus der Packung auf dem Tisch an und nahm einen langen Zug. Dann blätterte er eine neue Seite in seinem Notizbuch auf und griff zu einem Kugelschreiber. Doch mit einem Seufzer legte er ihn wieder weg, stützte den Kopf in die Hände und starrte hinaus auf den Dorfplatz von Lucan.
Dempsey hatte schon vor Beginn der Besprechung kein gutes Gefühl gehabt. McDonagh war in voller Uniform erschienen, da er wusste, dass Fotografen und Fernsehkameras anwesend sein würden. Die Aufstockung der Zahl von Detectives und Polizisten führte die Medien auf die Spur einer größeren Geschichte, eines Pfusches der Polizei vielleicht. Und irgendwer hatte das Gerücht über eine interne Fehde gestreut. Vor dem Revier hatte McDonagh einige optimistische, wenngleich vage Statements über den Fortgang der Untersuchung abgegeben. Das alles trug zu Dempseys wachsendem Eindruck bei, dass man ihn an den Rand drängte.
Nur wenige Minuten nach Beginn der Besprechung hatten mehrere hochrangige Beamte der Garda bereits negative Ansichten über die Bearbeitung des Falls geäußert. Die einhellige Meinung am Tisch war, dass O’Loughlin einer der Hauptverdächtigen sei und dass nicht energisch genug in diese Richtung ermittelt werde. Dempsey entgegnete, es gebe immer die Tendenz, sich an das Bekannte und Greifbare zu halten. Eine Spatz-in-der-Hand-Mentalität, die vollkommen verständlich sei. Doch nach den Aussagen des Künstlers, den er auch selbst mehrmals vernommen habe, sei er von O’Loughlins Schuld nicht sehr überzeugt. Mit dieser Ansicht stand er jedoch allein da.
Dann erklärte Dempsey, dass Mathers bisher nicht aufzustöbern gewesen sei, man habe aber die Polizei in Großbritannien und den Vereinigten Staaten alarmiert, für den Fall, dass er sich in einem dieser Länder verstecke. Roberts’ Existenz sei zweifelsfrei belegt. Er war in den achtziger Jahren ins Studentenverzeichnis von Clonliffe eingetragen und hatte 1990 einen Pass beantragt, seither jedoch nicht mehr. Roberts hatte Clonliffe bei der Beantragung des Passes als Wohnsitz angegeben. Seine Geburtsurkunde besagte, dass er im National Maternity Hospital in Dublin zur Welt gekommen war. Vater unbekannt.
Anschließend zitierte Dempsey Tom Dixon mit der Aussage, die Hüter des Siebten Siegels hätten keine Mitglieder in Irland. Dennoch würden Taaffe und er in Erwägung ziehen, Becca de Lacy zu vernehmen, die soeben aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt sei. An diesem Punkt spürte Dempsey, wie sein Ansehen den Bach runterging. Nicht ohne abfällige Äußerungen kamen die übrigen anwesenden Detectives zu dem Schluss, die Verbindung zu Becca de Lacy sei wahrscheinlich ein Reklametrick, der auf leichtgläubige Fans abziele, eine Masche, um ihrer Musik den Anschein von Bedeutsamkeit und Geheimnis zu verleihen. Ein uniformierter Beamter wies darauf hin, dass man Heavy-Metal-Bands seit Jahren vorwarf, Teufelskult zu fördern und verschlüsselte Geheimbotschaften auf ihren Alben zu verbreiten. Es gab sogar Gelächter, als ein anderer Beamter einwarf, Beccas CD sei womöglich vom Arts Council mitfinanziert worden, um Lyrik wieder populär zu machen.
Dempsey versuchte einiges an Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen, indem er rasch den Bogen zum Zehnten Kreuzzug schlug, der wegen Bonners Angriff auf Lavelle wieder im Rennen war. Bonner war früher als erwartet aus dem Gefängnis entlassen worden. Er war direkt nach Kilbride gefahren und hatte gewartet, bis Lavelle nach Hause kam. Soviel Dempsey aus dem Verletzten herausbekam, brachte Bonner den Priester mit dem Tod an seinem Mentor James Turner in Verbindung. Tom Dixon behauptete, die Mitgliederzahl des Zehnten Kreuzzugs in Irland sei klein, aber in Ländern mit größeren Einwanderungszahlen sei sie im Steigen begriffen. Er hatte Beispiele zitiert, wo rechtsgerichtete katholische Geistliche mit Bibelfundamentalisten gemeinsame Sache machten – Gruppen, die sich üblicherweise gegenseitig als »Verfluchte« oder »die Hure Babylon« bezeichneten. Worauf es ankam, war, dass diese Mischung von Gegensätzen naturgemäß instabil und
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