Die Keltennadel
als hilfreich ausgegeben hat, dachte er, das würde reichen, damit wir das Interesse an ihm und der Sekte verlieren. Zu weit hergeholt für die Trottel von der Polizei. Aber als wir ihn nun direkt mit dem ersten Mord in Verbindung brachten, sind sie in Panik geraten. Deshalb haben sie uns das Buch zugespielt, damit es so aussieht, als sei Lavelle von Anfang an ehrlich gewesen. Wenn wir es ihnen abkaufen, stehen wir ohne Verdächtigen da, sie machen sich aus dem Staub, und niemand hört je wieder was von ihnen, während wir weiter auf der Insel im See von Inisfree und im alten Ägypten herumschnüffeln und nach Beweisen suchen.«
»Das sind ja wilde Theorien, Jack. Aber du musst dich schon entscheiden. Lavelle müsste ein erstaunlicher Verrenkungskünstler sein, wenn er gleichzeitig schuldig und unschuldig sein soll. Er hat uns zwar in diese Richtung geführt, aber eigentlich war es Jane Wade, die ihn und uns darauf gestoßen hat. Wer uns auch das Fax geschickt hat, er oder sie ist meiner Ansicht nach aufrichtig von Lavelles Unschuld überzeugt. Und von welcher Person wissen wir, dass sie alle diese Einzelheiten genau kennt und wahrscheinlich Lavelle für unschuldig hält?«
»Jane Wade.«
»Genau. Und jetzt hat sie ihre Drohung wahr gemacht und die Medien eingeschaltet. Oder aber…«
»Aber sie ist in Italien.« Taaffe sah auf die Uhr. »Deiner Aussage nach muss sie in etwa einer Stunde in Dublin ankommen.«
»Hmm…«
»Was ist mit der Irish Times? Hast du jemanden darauf angesetzt?«
»Wird überprüft. Ich würde sagen, der Zeitpunkt war kein Zufall. Wahrscheinlich war noch niemand im Büro. Und das führt mich zu der Annahme, dass es möglicherweise nicht das ist, wonach es aussieht.«
»Also kein Versuch der Presse, einen Knüller zu landen?«
»Wahrscheinlich nicht. Wade könnte alles schon vor ihrer Abreise vorbereitet haben. Und jemand anderer hat es dann für sie ausgeführt. Die Frage ist, warum ließ sie es erst heute Morgen faxen?«
»Weil sie heute zurückkommt?«
»Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, sie ist schon da. Auf zum Flughafen.«
Tosh Jackson war ein wortkarger Mensch. Als renommierter Toningenieur, der im Laufe der Jahre mit irischen und internationalen Musikgrößen gearbeitet hatte, gab er nie Interviews, woran sich Jane aus ihrer Zeit bei Hot Press erinnerte. Nun sah er sie dennoch durch seine dunkle Sonnenbrille an, die zusammen mit einem mächtigen, über den Mund hängenden Schnauzer verhinderte, dass sie seinen Gesichtsausdruck lesen konnte. Mit seiner kräftigen Statur hatte er sich in einen Drehstuhl neben einem Mischpult gezwängt, und das schwarze T-Shirt spannte sich wie ein Trommelfell über seinen Bierbauch. Er hatte die Arme verschränkt und antwortete brummelnd und einsilbig auf ihre Fragen.
Ob Becca das Album in ihrem eigenen Studio aufgenommen habe?
»Ja.«
War er bei allen Phasen der Aufnahme dabeigewesen?
»Ja.«
War Becca für die endgültige Abmischung in die Orbis Studios gekommen?
»Hmm.«
War das David Edwards’ Stimme, die die Gedichte zitierte?
»Hmm.«
Hatte er viel mit Edwards gesprochen?
»Nein.«
Wusste er, wo Edwards wohnte?
»Nein.«
War Edwards mit Becca auf der Tournee?
»Keine Ahnung.«
Wenn das so weiterging, würden sie den ganzen Tag brauchen, aber Jane wusste, er hatte um zehn Uhr einen Aufnahmetermin, und dann würde sie gehen müssen. Sie machte zwar Fortschritte, aber nicht schnell genug. Das Telefon läutete, und er drehte sich weg und zog die Schultern ein, weil er nicht wollte, dass sie das Gespräch mithörte. Sie musste es anders versuchen.
Beccas Mythos bestand zum Teil darin, dass sie ursprünglich eine traditionelle irische Sängerin war, die in den Liedern und Geschichten ihres Volkes wurzelte und in den Quell ihrer keltischen Vergangenheit tauchte, um ihren Kompositionen eine authentische Reinheit zu verleihen. Jane wusste, dass Rebecca Lacy, wie sie damals hieß, ihre Karriere mit einer Ausbildung zum Toningenieur bei Tosh Jackson begonnen hatte. Ihr Talent als Pianistin, Sängerin und Komponistin war nur den Mitgliedern einer Rockband bekannt gewesen, mit der sie seit zwei Jahren in schmuddligen Pubs und kleineren Clubs in Dublin und Umgebung spielte. Als eines Tages eine Sängerin nicht zu einer Aufnahme im Studio erschien, erbot sich Becca einzuspringen, und von da an bekam sie regelmäßig Arbeit von Tosh. Er war es auch, der ihr vorschlug, ein paar Demos von ihren eigenen Sachen aufzunehmen, die er dann
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