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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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vierzigjährige Nonne begann sie diese aufzuschreiben. Sie schrieb außerdem über Wissenschaft und Medizin, erfand nur so zum Spaß ihre eigene Sprache und war Künstlerin und Musikerin, auch wenn es bis Ende des 20. Jahrhunderts dauerte, bis ihre geistliche Musik allgemein bekannt wurde. Wie viele christliche Denker des Mittelalters arbeitete sie die Ausbreitung des Islam in ihre Mutmaßungen über die Wiederkunft Christi ein, aber noch größere Sorge bereitete ihr der sittliche Verfall des Klerus in ihrer Zeit. Vielleicht rührte Bonners Feindseligkeit ihm gegenüber teilweise daher.
    Eine Sache hatte er Dempsey allerdings lieber nicht anvertraut: Eine Besonderheit von Hildegards Endzeitprophezeiungen lag in einer manchmal düsteren sexuellen Metaphorik. Die menschliche Rasse und die Kirche waren für sie weibliche Prinzipien, symbolisiert durch Eva und die Jungfrau Maria. Der zügellose Klerus ihrer Zeit war der Vorbote des männlichen Antichrist, und sie stellte das Verhalten der Geistlichen als sexuelle Gewalt gegen die Kirche, die Jungfrau, dar. In einer ihrer Visionen beschrieb sie, wie der Antichrist aus dem Leib der Kirche auftauchte, nachdem er ihr Inneres mit zahllosen bösartigen Eisenzähnen geschändet hatte!
    Wenn er Dempsey davon erzählte, würde er dessen Verdacht bestärken, dass der Zehnte Kreuzzug mit dem Mord zu tun hatte. Und genau das sollte er nach dem Willen einer äußerst gerissenen Person glauben.
    Und doch war Lavelle beunruhigt, denn bei dem Mord an Sarah Glennon gab es tatsächlich eine schwache Verbindung zum Todfeind des Kreuzzugs, zum Islam. Taaffes Idee von der rituellen Schlachtung von Tieren hatte die Polizei nun dazu gebracht, in einer Richtung zu suchen, die er selbst bereits erforscht hatte – Bluttabus und Reinigungsriten bei semitischen Religionen. Die Quelle dazu war das dritte Buch der Bibel, bekannt als Levitikus. Dort erhielt Moses die Grundregeln für Tieropfer sowie das Verbot, das Blut von Tieren zu verzehren. Dort waren auch rituelle Reinigungen einschließlich des Vergießens von Blut beschrieben. Und außerdem fanden sich eine Reihe von speziellen Tabus rund um das Blut von Frauen, mit denen sich Lavelle besonders eingehend beschäftigt hatte.
    Laut Levitikus war eine Frau, die ein Kind geboren hatte, sieben Tage lang unrein und musste weitere dreiunddreißig Tage warten, bis ihr Blut gereinigt werden konnte. Deshalb war die Mutter Christi zu Lichtmess in den Tempel gegangen – dem Tag, an dem Sarahs Leiche in die Kirche gelegt wurde. Zusätzlich wurde das Menstruationsblut von Frauen für eine derart verseuchte Substanz gehalten, dass in religiösem Sinn alles unrein war, was mit ihm oder mit einer Frau, die ihre Periode hatte, in Berührung kam. Das vollständige Ausbluten eines weiblichen Körpers ließ sich deshalb als radikale oder vielleicht auch präventive Reinigung auffassen.
    So weit war Lavelle gewesen, bevor er von Taaffes Theorie hörte, die ihm äußerst unwahrscheinlich vorkam. Trotzdem hatte er sich damit beschäftigt. Das Schächten, die bei Moslems gesetzlich vorgeschriebene Art des Tötens von Tieren, erforderte eine Methode namens dhabh – das Wort bedeutete, wie Lavelle nicht entgangen war, Reinigung. Und das Ziel bestand darin, mittels Durchtrennen von Halsschlagader sowie Luft und Speiseröhre einen massiven Blutverlust herbeizuführen – von denen, die das Schächten praktizierten, wurde es mit dem Argument verteidigt, dass es zu einem sofortigen Verlust des Bewusstseins führte. Doch bei dem Mord an Sarah war diese für den Ritus so charakteristische Tötungsmethode nicht angewandt worden. Alles in allem glaubte Lavelle, den Vergleich zu Recht zurückgewiesen zu haben.
    Was ihm wirklich Sorge bereitete, war die sexuelle Verstümmelung. Er wusste, dass Frauen in vielen Teilen der Welt noch an den Genitalien verstümmelt wurden, und zwar hauptsächlich in Ländern, in denen der Islam die vorherrschende Religion war.
    Deshalb war er beunruhigt.

17
    M eistens erfüllte Lilienduft den Raum, und wenn keine Lilien da waren, roch der Raum, der einst eine Kapelle gewesen war, dennoch nach Kirche.
    Glenncullen House war ein georgianischer Herrensitz in den Bergen vor Dublin, den Lord Charles Fitzmaurice im 19. Jahrhundert einem Nonnenorden vermacht hatte. Der Adlige war unter dem Einfluss von Kardinal Newman zum katholischen Glauben konvertiert, und da er keine Erben hatte, überließ er die Liegenschaft den Barmherzigen Schwestern als

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