Die keltische Schwester
Lindis, aus der Traum?« Robert sah mich fragend an.
»Ja, aber das ist nicht schlimm, ich denke, wir finden es jetzt auch so. Gibt es hier irgendwo ein Bächlein, ein Rinnsal nur, nicht groß?«
Wir standen mitten im Wald, vor mir ein halb vermoderter Stamm, überwachsen mit dichtem Farn und verfilztem Buschwerk. Hier ging es wirklich nicht weiter. Aber Beni war schon auf der Suche, sie krabbelte unter den Zweigen hindurch und rief uns zu: »Kommt, hier geht es besser.«
»Doch Fingernägel abbrechen«, grollte Teresa und hob ihren Rock. Ich folgte ihr und stand dann auf etwas freierem Boden. Robert kam von links und meinte nur: »Es wäre auch bequemer gegangen.«
Ich suchte in meiner Erinnerung. Es hatte mich vorangetrieben,so stark, dass auch jetzt noch etwas davon zu spüren sein musste. Ohne die anderen zu beachten, ging ich weiter, versuchte, meine Sinne so offen wie möglich zu halten. Das Gelände stieg sacht an, der Boden wurde felsig. Es musste hier sein.
Es war auch so. Ein Bachlauf, braun zwischen Steinen und Humus, suchte sich seinen Weg durch die Bäume und verschwand in einer Betonröhre.
»Wunder der Kanalisation. Aber wir müssen dem Wasser nur noch folgen.«
Fünfzehn Minuten später und erheblich zerkratzter stand ich dann wirklich an dem Felsbecken. Es war ein seltsamer Moment. Ich glaube, hier wurde mir zum ersten Mal klar, dass es keine Laune von stressgeplagten Nerven gewesen war, die mich mit den Stationen von Danus Leben verband. Vorsichtig strich ich mit der Hand über den Felsen, in dem sich das klare Wasser sammelte, um schließlich zwischen bemoosten Steinen überzulaufen und in einer kleinen Kaskade zum Bächlein zu werden.
»Das ist ja hinreißend«, sagte Teresa leise und sah sich um. »Wie schön, dass hier noch nicht das Forstamt gewütet hat.«
»Schlimmer noch wäre das
Bureau du Tourisme
mit einem Hinweis für Ausflügler. Man könnte meinen, der Heilige Hain wüsste sich selbst zu schützen.«
Auch Robert sah ergriffen aus.
»Hier ganz in der Nähe muss auch Danus Höhle sein, in die sie sich zurückgezogen hatte. Wartet mal, ich sehe nach.«
»Sei vorsichtig, Lindis.«
»Ja, Robert.«
Ich war erstaunt. Robert mahnte mich, vorsichtig zu sein?
Ich kletterte ein Stück höher und sah mich suchend um. Ich nehme an, wenn ich es nicht schon einmal gesehen hätte, wäre ich nie darauf gekommen. So aber schob ich mit fast schlafwandlerischerSicherheit ein paar Efeuranken zur Seite und fand den Eingang der kleinen Höhle im Felsen.
»Ich habe die Höhle gefunden. Robert, hast du eine Taschenlampe dabei?«
»Natürlich. Aber komm herunter und lass mich das machen.«
Es war meine Höhle. Ich wollte sie als Erste betreten.
»Nein, Robert.«
»Lindis, das kann gefährlich sein. Komm da runter!«
»Nein.«
Er sah zu mir hoch und drückte dann Beni eine Stablampe in die Hand.
»Wie du wünschst, Herrin«, sagte er, und so, wie er mich dabei ansah, schlugen plötzlich Eisbrocken und Flammenglut über mir zusammen. Doch ich hielt seinem Blick stand, und Beni musste mir förmlich die Lampe in die Hände drücken. Dann besann ich mich und kletterte in die Höhle.
Sie war beinahe rund und reichte gerade, um sich darin aufzurichten. Sie mochte fünf, sechs Quadratmeter groß sein und war bis auf wenige Dinge leer. Aber was ich erkannte, als sich meine Augen an die spärliche Beleuchtung gewöhnt hatten, ließ mich vor Freude aufseufzen. Dann packte mich der Übermut.
»Hast du was gefunden?«, tönte es ungeduldig von draußen.
»Ja. Moment.«
»Können wir etwas helfen?«
»Ja, Teresa. Hier, nimm mir das mal ab.«
»Was ist das denn?«
»Eine original historische Keksdose mit geheimnisvollen Zeichen geschmückt, die zu deuten nur mir bestimmt ist. Holländische Butterkookies!«
»Ja, der Handel mit den germanischen Stämmen war damals schon schwunghaft.«
»Und hier, eine Amphore mit einem Zaubertrank namens Coca Cola.«
»Wie ungemein typisch für das frühe Keltentum.«
»Und jetzt der Knaller. Ein zerfledderter Papyrus mit einem authentischen Bericht über die damaligen Geschehnisse. In bunter Bildersprache. Man zeigt Hinkelsteine und mutige Gallier.«
»Das muss der Nistplatz eines halbwüchsigen Menschen gewesen sein. Neuere Plastikzeit.«
»Und jetzt, nachdem ich den Müll ausgeräumt habe, hätte ich gerne den Fotoapparat. Mit Blitz.«
»Lindis, heißt das, da ist noch etwas?«
»Ja, Robert.«
»Du verstehst es, dein Publikum in Atem zu halten.«
Beni
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