Die keltische Schwester
grübelte ich auch manchmal über die Träume nach, die mich in der letzten Zeit heimgesucht hatten.Ich hatte mir inzwischen eine Erklärung zurechtgelegt, die mir ganz plausibel erschien. Zumindest bei dem letzten Traum, diesem blutrünstigen Gemetzel, war es ganz offensichtlich, dass meine aufgestaute Wut sich darin entladen hatte. Und zuvor, nun, da mochte vieles mit meiner Abneigung gegen Karolas Tochter zusammenhängen und auch mit der beständigen Beschäftigung mit dieser vernetzten Planung. Warum ich jedoch diese seltsame Hauptfigur Danu geschaffen hatte, musste den Eigenarten meiner überspannten Neuronen und Synapsen in Rechnung gestellt werden.
Nachdem ich mich auf diese Weise beruhigt hatte und die Angst vor dem schleichenden Irresein verschwunden war, wurde ich ein bisschen ruhiger. Vielleicht half mir auch, dass ich mich wirklich aufraffte, jeden Sonntag mit Beni eine Stunde Squash zu spielen. Das lockerte nicht nur die Muskulatur, sondern auch meinen Geist.
Jedenfalls war vor Weihnachten eine gewisse Beruhigung in mein Leben eingetreten, und ich sah sogar den freien Tagen mit einer gewissen Vorfreude entgegen. Wegfahren war zwar nicht drin, denn ich war für alle Buchungen zu spät dran. Aber ein Besuch bei unseren Eltern war sowieso nötig, darum hatten Beni und ich beschlossen, die Feiertage bei ihnen zu verbringen.
Es war an dem Freitag, an dem die Weihnachtsfeier der Firma stattfinden sollte. Dr. Koenig zeigte sich mehr als großzügig. Eines der besseren Restaurants der Stadt war zu diesem Zweck angemietet worden, ein mehrgängiges Essen und anschließend ein kleines Unterhaltungsprogramm mit Live-Musik sollte es geben.
Als ich morgens in die Teeküche kam, um meinen Joghurt in den Kühlschrank zu stellen, fand ich Karola vor den Trümmern einer Glaskanne. Sie hatte hektische Flecken im Gesicht, eine rote Nase und geschwollene Augen.
»Nanu, Karola, bist du erkältet?«
Sie schniefte in ein Küchentuch und versuchte mit zittrigen Händen, den Kaffee wegzuwischen.
»Nein, nein.«
»Komm, lass es mich machen. Was ist denn los?«
»Ach, Lindis, ich hab solche Probleme.«
Sie lehnte gegen den Schrank, und ich wischte die braune Brühe auf.
»Na, was denn? Komm mit in mein Büro, dann kannst du es mir erzählen. Die Jungs werden schon nicht verdursten, wenn sie nicht pünktlich ihren Kaffee kriegen.«
Mit sanfter Gewalt lotste ich sie in mein Zimmer, und sie sank in den Besucherstuhl. Ich schloss die Tür hinter uns.
»Es ist diese entsetzliche Frau!« Schniefen.
»Welche? Eine der Sekretärinnen?«
»Nein, nein, die Tagesmutter. Es ist so grässlich. Ich muss Jessika-Milena wegbringen von ihr. Es ist so fürchterlich! Und dann noch das mit meiner Mutter. Ich kann nicht mehr!«
»Was ist mit deiner Mutter?« Es war schwierig, aus ihr eine klare Auskunft herauszubekommen.
»Mama ist gestürzt, gestern Abend. Ich muss zu ihr. Sie hat mich angerufen. Und ich kann doch Jessika-Milena nicht mitnehmen. Sie … sie mag meine Tochter nicht. Sie hat mir das Haus verboten, wenn ich mit dem Kind komme. Aber jetzt braucht sie doch meine Hilfe!«
Irgendwie klangen ihre letzten Worte gehässig.
»Ja, und warum lässt du dann Jessika-Milena nicht bei der Tagesmutter? Ich denke, das hast du schon öfter mal gemacht?«
»Die Frau ist eine asoziale Schlampe!«, kreischte Karola auf, und ich zuckte zusammen.
»Warum denn das? Ich dachte, du wärst mit ihr zufrieden?«
Allerdings wusste ich, dass Karola schon mehrere Tagesmütter verschlissen hatte.
»Sie ist unmöglich. Stell dir vor, sie hat die ganze Zeit nichts anderes gemacht, als Jessika-Milena ständig vor den Fernseher zu setzen. Obwohl ich ihr ausdrücklich verboten habe, das Kind diese schrecklichen Sendungen sehen zu lassen. Sie sollte sich sinnvoll mit ihr beschäftigen! Sie hat alle meine Versuche zunichtegemacht, Jessika-Milena zu einem kreativen Kind zu erziehen! Aber was noch viel schlimmer ist, Lindis, sie hat … oh, wenn ich das gewusst hätte!«
Karola schniefte und schluchzte wieder herzzerreißend, bis sie weitersprechen konnte.
»Sie hat meinem Lämmchen mittags nach dem Essen Bier gegeben! Angeblich, damit sie besser schläft.«
»Du liebe Zeit. Die tickt ja wirklich nicht ganz richtig.«
»Da kann ich doch mein Kind nicht mehr hinbringen. Ich habe sie gestern zur Rede gestellt. Und weißt du, was sie gesagt hat?«
»Nein, was denn?«
»Sie hat behauptet, Jessika-Milena wäre ein völlig unerzogenes Balg. Sie sei nicht
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