Die keltische Schwester
eintönig, das Leben dort. Nicht so, wie Hollywood sich das gerne vorgestellt hätte. Aber du kannst mal schauen, wann die Sachsen in Britannien eingefallen sind.«
»Die kamen um 450 nach Null!«
»Oh, das kam prompt! Hast du gerade Hausaufgaben gemacht?«
»Nein, aber zufällig was über die Völkerwanderung gelesen. Au, das wird ein Spaß. Lindis! Wir finden das raus! Vielleicht hat die alte Danu ja eine Botschaft für dich hinterlassen!«
Beni war so quirlig, dass ich einen Schwächeanfall mimen musste, um sie endlich loszuwerden.
6. Faden, 8. Knoten
»Lindis, komm schnell!«
Ich legte die Pfanne, die ich gerade abtrocknen wollte, und das feuchte Handtuch auf den Küchenschrank und folgte dem Ruf meiner Schwester. Sie saß gebannt vor dem Fernsehapparat und verfolgte die Nachrichten.
»… das Tief Pia zu heftigem Unwetter über Nordfrankreich geführt, die Regenmassen …«
Die Regenmassen hatten samt Sturmböen in Orkanstärke vermutlich den Beginn der Bauarbeiten unmöglich gemacht. Und Pia hatte sich noch nicht ausgetobt.
»Das trifft doch bestimmt auch eure Ferienanlage, was?«
»Ich erwarte schon mit Spannung einen Anruf, wenn nicht noch heute Abend, dann gleich morgen früh.«
Ich war jetzt, nach anderthalb Wochen, auf dem Weg der Besserung, aber einen ganzen Tag im Büro würde ich noch nicht durchstehen. Krank geschrieben war ich dank Dr. Neumann, der großzügig mit Rezepten und gelben Zetteln war, noch eine weitere Woche. Ich war auch durchaus gewillt, diese Zeit auszunutzen. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht, sowie ich wieder kriechen konnte, an den Arbeitsplatz zurückeilte. Aber diesmal, und das gestand ich mir auch ein, war es weniger die körperliche Schwäche, sondern auch die Ruhe, die ich meinen Gedanken gönnen musste.
Beni sah das genauso und sorgte mit Überschwang für Ablenkung. Wir hatten gemeinsam alles zusammengetragen, was wir zum Thema gallische Kelten um 400 nach unserer Zeitrechnung finden konnten. Es war bedauerlich wenig. Die Römer, die Gallien besetzt hielten, hatten sich zurückgezogen, die alten Völker waren in Bewegung gekommen. Immerhin hatten wir herausgefunden, dass zu Danus Zeiten die Kelten bereits über tausend Jahre in der Bretagne ansässig waren und sich weitgehend der römischen Einflussnahme hatten entziehen konnten. Sie hatten sich auch weiter nach Norden ausgebreitet, über die Britischen Inseln bis Irland. Aber dort verdrängten die Angelsachsen sie im vierten Jahrhundert, und viele wanderten nach Armorika aus. In die Bretagne, die von ihnen auch Britannia Minor – Klein Britannien – genannt wurde. Sie fanden dort ein Volk vor, das eine ähnlicheSprache und eine unverändert keltische Kultur beibehalten hatte.
»Es ist bestimmt so, dass deine Träume in der Zeit spielten, Lindis. Sieh mal, hier steht: ›Als die britischen Kelten in die Bretagne einwanderten, war es für sie, als ob die Uhr um fünfhundert Jahre zurückgedreht worden sei.‹«
»Gut, dann haben wir jetzt einen Zeitrahmen. Hast du denn auch irgendwas über die keltische Kultur gefunden? Ich weiß überhaupt nichts, was ihre Religion angeht, ihre Kunst, ihre Lebensart. Danus Heimat ist ein Bauerndörfchen. Der einzige Gebildete scheint Conall gewesen zu sein, der so was wie der Dorfdruide war. Aber über Druiden weiß ich auch nur, dass sie Misteln schneiden. Und noch nicht einmal das hat er bisher getan.«
Ich freute mich darüber, dass ich endlich davon sprechen konnte, und sah jetzt auch die heitere Seite der Angelegenheit.
»Ich habe unseren Geschichtslehrer gefragt, der konnte mir nur Caesar als Quelle nennen, der hat angeblich über den gallischen Krieg geschrieben.«
»Nur, das war gut fünfhundert Jahre vor Danus Zeit.«
»Ja, und Julius war bekannt dafür, dass seine Werke ein wenig tendenziös waren, sagte mir der Schröder. Er hat darin wohl die Rolle der guten Römer ein wenig überbetont und die Barbaren ziemlich fertiggemacht.«
»Sparen wir uns den Julius.«
»Hat denn eigentlich keiner von den Druiden-Heinis mal was aufgeschrieben? Die Griechen und Römer haben doch auch alles festgehalten, Berichte von der Front, jeden Fall eines abgemurksten Königs, die Sportnachrichten aus Olympia …«
»Die Druiden waren der Meinung, was man aufschreibt, kann man nicht mehr ändern. Sie haben alles auswendig gelernt und mündlich weitergegeben.«
»Wie ätzend!«
Wir waren nicht sehr weit gekommen mit unseren Nachforschungen. Einen Band keltischer
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