Die keltische Schwester
haben. Träumte ich denn noch?
»Was ist, Lindis? Gefällt dir das nicht? Ich finde die Idee toll. Ich werd’ mir sofort einen Ikebana-Kurs reinziehen, wenn so was irgendwo angeboten wird.«
»Von wem ist das?«
»Oh, von dem Blues-Brother.«
Trotz meiner Verwirrung musste ich grinsen.
»Wieso weiß er denn, dass ich krank bin? Und ob Robert der Titel gefällt?«
»Er hat gestern angerufen, wollte sich verabschieden, weil er wieder abreist. Du, ich finde den wirklich unheimlich nett. Das hier ist doch wirklich ein ausgefallener Beweis seiner Kreativität. Warum bist du nur so schlecht auf ihn zu sprechen?«
»Weil, meine liebe jüngere Schwester, er eben so unheimlich nett sein kann. Und kaum wiegt man sich darin in Sicherheit, schlägt er zu. Das tut dann ganz gemein weh.«
Sie sah mich nachdenklich an und nickte.
»Könnt ja auch sein, dass er sich nur wehrt, oder?«
»Ach, Beni. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Bitte.«
»Schon recht. Weil du gerade so schön bei Bewusstsein bist, könntest du das hier mal unterschreiben?«
»Was ist das?«
»Meine Migräne.«
Der Entschuldigungszettel trug ein Datum, das mich erschütterte.
»Sag mal, liege ich jetzt schon fünf Tage hier im Koma?«
»Vier, morgen gehe ich wieder zur Schule. Ich denke, ich kann dich einen halben Tag alleine lassen, es geht dir ja inzwischen wieder ein bisschen besser. Wie fühlst du dich?«
Ich machte Inventur. Mein Hals schien geheilt zu sein, er schmerzte nicht mehr, und meine Stimme klang einigermaßen menschlich. Meine Gelenke waren alle wieder in die zugehörigen Halterungen zurückgekehrt, mein Kopf hatte normale Ausmaße. Meine Nase war noch verstopft. Und wenn ich mich aufsetzte, spürte ich eine widerliche Schwäche.
Ich hatte Hunger!
»Meinst du, ich dürfte einen Happen essen?«
»Riesige Happen, klar. Ich bringe dir gleich einen Teller Suppe, muss sie nur warm machen.«
Nachdem ich gegessen hatte, fühlte ich mich noch etwas besser und überhaupt nicht mehr schläfrig. Beni setzte sich zu mir und erzählte, was sich so zugetragen hatte.
»Du warst so sauer auf mich am Freitag, dass ich schon aus lauter Wut die ganze Nacht wegbleiben wollte. Aber im Prinzip hast du ja recht, Ines und Ralf sind wirklich nicht das Gelbe vom Ei. Ich glaube, ich war ihnen auch einfach nur lästig. Na, jedenfalls habe ich mich um elf auf die Söckchen gemacht. Ich war heilfroh, dass du mir mal geraten hattest, immer genug Geld für ein Taxi dabeizuhaben.«
»Warst du denn in der vielbesungenen Disko?«
»Ja, kurz. Aber – du, da hat sich vielleicht ein schräges Volk versammelt. Kaum wer in meinem Alter. Also, ich spar mir das auf, bis ich in die Preisklasse komme. Ernsthaft, ich hab mich eigentlich tierisch gelangweilt, weil ich da nur blöde in der Ecke sitzen konnte. Viel abwechslungsreicher war es dann hier! Als ich reinkam, brannte überall das Licht, deine Klamotten lagen verstreut herum, und aus dem Schlafzimmer kam ein grauenvolles Stöhnen. Ich dachte erst, du seiest überfallen worden und lägest gemeuchelt in deinem Blute im Bett. Mir war ein wenig klamm ums Herzchen, echt!«
»Arme Beni! Tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe.Aber ich war dermaßen fertig mit der Welt, dass ich nichts anderes mehr wollte als nur noch ins Bett.«
»Macht ja nichts. Ich bin dann ganz vorsichtig zu dir geschlichen, und als ich meinen Trainingsanzug an dir sah, dachte ich mir schon, dass es dir nur dreckig ging. Ich mach das nämlich auch immer, wenn ich völlig alle bin. Meinen alten Jogginganzug anziehen. Irgendwie hat das was Tröstliches, nicht?«
»Vor allem was Warmes.«
»Ja, obwohl die Hitze kurz vor dem Siedepunkt stand. Ich hab, ganz cool und professionell, an deine Stirn gefasst und mich beinahe verbrannt. Da dachte ich mir schon, dass dich eine herbe Grippe erwischt hatte. Und ein paar Horrorträume. Inzwischen war’s dann auch schon Mitternacht, und ich hab überlegt, ob ich den Notarzt rufen sollte. Aber dann hast du angefangen zu weinen. Mein Gott, hast du geweint! Mich hat’s schier zerrissen vor Mitleid. Ich wusste gar nicht mehr, was ich machen sollte. Deshalb hab ich Tee gekocht und mich dann zu dir ins Bett gelegt. Nach einer Weile ging es dann. Da habe ich dir mit einem nassen Tuch das Gesicht gewischt. Du bist kurz aufgewacht und hast was getrunken. Danach bist du aber sofort wieder abgekippt.«
»Ich erinnere mich sogar daran. Keine schöne Nacht für dich, was?«
»Sie hatte was, doch, muss man
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