Die keltische Schwester
beschränken Sie sich auf die Planung. Herr Daniels hat für unseren Kunden die billigste Möglichkeit gewählt.«
»Natürlich. Es war ja auch nur eine Bemerkung am Rande.«
»Dann belassen Sie es dabei. Andere Frage – wie weit fühlen Sie sich erholt, demnächst einen längeren Besuch auf der Baustelle zu unternehmen?«
»Ich werde nächsten Montag wieder im Büro sein. Aber ein oder zwei Wochen sollten Sie mir schon lassen, damit ich die liegengebliebenen Angelegenheiten ordnen kann.«
»Oh, ich meinte nicht gleich, sondern wenn die Arbeiten dort beginnen. Wir werden vorher dort ein Büro einrichten. Herr Daniels kümmert sich bereits um die Räume und die Infrastruktur. Ich würde es begrüßen, wenn Sie in der Anfangsphase gleich mit dabei sind, um vor Ort die Entwicklung besser koordinieren zu können. Mitte, Ende Mai, schätzt Herr Daniels, wird man dort arbeitsbereit sein.«
»Gut, das wird sich sicher einrichten lassen.«
»Ende Mai, schön. Ich bekomme am elften Juni Ferien. In der letzten Woche läuft sowieso nicht mehr viel. Und eine Woche schwänze ich einfach.«
»Beni, ich kann dich so nicht einfach mitnehmen. Ich habe da zu arbeiten.«
»Tagsüber, ja. Aber was machst du denn an den Abenden und am Wochenende? Mit Wulfi-Schnuffi rumturteln?«
»Wulfi-Schnuffi scheint mich abgeschrieben zu haben, da ist nichts mehr zu turteln.«
»Hat er nicht, aber ich habe ihn ein paar Mal abgewimmelt, als du krank warst.«
»Sag mal, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das gut finde, dass du dich so frei gestalterisch in mein Privatleben einmischst!«
»Ich finde es aber gut. Lindis, ältere Schwester, wir müssen mal ein ernsthaftes Wort über dein Privatleben reden, ehrlich.«
Ich wich einer Pfütze aus und war eigenartig beklommen. Einer ganzen Reihe von Problemen hatte ich mich ja nun schon in der letzten Zeit gestellt, das allerdings hatte ich bisher erfolgreich ausgeklammert. Aber gut, vielleicht musste es jetzt sein.
»Na, dann los. Lass die Fetzen fliegen!«
»Ach, so schlimm wird es gar nicht. Mir ist nur aufgefallen, dass du unheimliche Probleme mit verschiedenen Leuten hast. Und ich hab nachgedacht, woran das liegt.«
»Ich auch. Ich bin zu unverträglich und zu emotional«, meinte ich und kickte zornig einen Tannenzapfen zur Seite.
»So’n Blödsinn. Ich bin zu einem ganz anderen Schluss gekommen.«
»Na?«
»Du bist zu nett zu den falschen Leuten.«
»Was? Wie meinst du das denn?«
»Na, du meinst wahrscheinlich, wenn jemand freundlich zu dir ist, musst du das mit deiner Freundschaft beantworten. Und du fragst nicht, warum derjenige sich bei dir einschleimt. Mit dem Erfolg, dass du fröhlich ausgenutzt wirst.«
»Mh.«
Je länger ich darüber nachdachte, desto weniger konnte ich mich gegen diese Argumentation wehren. Da war etwas sicher dran. Allerdings …
»Du grübelst! Hab ich was Falsches gesagt, Lindis?«
»Eigentlich nicht. Mh.«
»Ich denke, dass du immer unwahrscheinlich viel runtergeschluckt hast, weil du gemeint hast, wenn du dich nicht so verhältst, wie die Leute es gerne hätten, kündigen sie dir die Freundschaft. Ich weiß noch, wie du gesagt hast, bei Karola willst du dich entschuldigen, obwohl sie sich doof benommen hat, weil du mit ihr täglich zusammenarbeiten musst.«
Meine kleine Schwester hatte ja recht, oft genug hatte ich mich insgeheim über die aufgesetzte Mütterlichkeit mokiert. Und auch Wulf hatte ich eigentlich immer wieder nachgegeben.
»Sag mal, wie kommst du eigentlich zu solchen tiefgreifenden Einsichten?«
»Och, eigene Erfahrung!«
»Sprach die alte Dame!«
»Läster du nur. Ich habe auch mal versucht, mit wem klarzukommen, weil ich dachte, ich müsste unbedingt auch einen Freund haben wie meine beste Freundin. Und dann hatte ich irgendwann das Gefühl, ich wär gar nicht mehr ich selbst.«
»Kurz, du meinst, ich hätte gegen meine finstere Natur gehandelt, wenn ich freundlicher tat, als ich eigentlich fühlte.«
Die erschreckenden Momente, in denen ich mich selbst immer ein Stück neben mir gesehen hatte, fielen mir wieder ein. Das war allerdings in den letzten drei Wochen nicht mehr vorgekommen. Ein interessanter Aspekt.
»So finster ist deine Natur gar nicht. Weißt du was? Du brauchst einfach andere Freunde.«
»Super Lösung. Wer schnitzt mir die?«
»Ich, deine jüngere Schwester!«
Wir hatten den Streichelzoo erreicht, wo vier oder fünf Kinder mit den Tieren spielten. Eine hässliche Ziege beäugte mich
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