Die keltische Schwester
doch ihre Stimme klang rau, ungeübt fast, als hätte sie lange Zeit geschwiegen.
Aber als sich später zwei vorwitzige Jungen näherten, hatte sie ihre normale Stimme wiedergefunden.
»Sucht ihr Kräuter, wie gestern, Grania?«
»N… nein.«
»Sucht ihr denn die böse Fee, die Korrigane, die sie so erschreckt hat?«
Verlegen sahen die beiden Knaben zu Boden.
»Kennt ihr mich denn nicht mehr? Bin ich so lange schon im Wald, dass mich die Kinder im Dorf vergessen haben?«
»N… nein. Ihr seid Danu, die Heilerin.«
»Ich bin Danu, ja. Wollt ihr euch zu mir setzen und Brot und Milch mit mir teilen? Eure Eltern bringen mir oft etwas vorbei.«
»Nein, danke, Herrin. Wir wollen wieder gehen.«
»Schön, aber bitte richtet aus, man möge mir meine Harfe vorbeibringen.«
Sie fand ihre Harfe und ein neues, grünes Gewand zusammen mit einem Korb voll Lebensmitteln am Abend vor der Höhle. Freudig packte sie das Instrument aus und nahm es zur Hand. Noch ein bisschen schwerfällig strich sie über die Saiten, doch sie übte und spielte, bis der Tag sich neigte.
Danach war oft im Wald ein leises Harfenspiel zu hören, stille, friedliche Weisen, die wie der Gesang der jungen Blätter klangen, wie das Summen der Bienen in den Waldblumen, wie das Säuseln der Luft in den Zweigen. Wenn Danu bemerkte, dass die Kinder in der Nähe waren, sang sie dazu die alten Lieder, die langen Gesänge von der Erschaffung der Welt, dem Blühen und Vergehen, dem Mond und den Sternen, dem Lauf der Sonne und von den Wegen der Götter und der Menschen.
Sie kamen immer näher, die Kinder. Und Danu bemerkte, dass unter ihnen auch viele mit blondem Haar waren, die sie nicht kannte.
Einer von ihnen, ein großgewachsener Junge von vielleicht zehn, elf Jahren, hatte oft ein kleines, schüchternes Mädchen an der Hand, das sich ängstlich bemühte, ihn nicht zu verlieren. Er war es auch, der schließlich mutig genug war, zu Danu zu kommen. Die Kleine streckte ihr mit einer heftigen Bewegung ein Sträußchen Veilchen hin und verkroch sich dann schnell wieder hinter dem Rücken ihres Beschützers.
»Danke, Kinder. Wer seid ihr? Ich habe euch noch nie gesehen?«
»Ich … das ist Arian, Rigans Tochter. Man sagt, ihre Mutter sei Eure Freundin gewesen.«
Danu nickte und streckte die Hand zu dem Kind aus.
»Arian, komm zu mir, Kind. Ich habe deine Mutter sehr geliebt.«
Sehr zögernd näherte Arian sich. Danu blieb ruhig an ihrem Platz und spielte ein paar leise Töne auf der Harfe. Arian wurde zutraulicher und kam noch näher.
»Ich mag Musik!«
»Ich auch, Arian. Wie alt bist du jetzt?«
»Weiß nicht.«
»Sie ist drei Jahre alt.«
»Und bei wem wohnst du?«
»Bei Maeve und Angus.«
Danu sah sie erstaunt an. Diese Namen hatte sie noch nie gehört.
»Das ist Angus.« Arian deutete mit ihrem Finger auf den Jungen neben sich.
»Maeve ist meine Mutter, sie hat Arian aufgenommen, als wir hierherkamen.«
Der Junge hatte eine eigenartige Aussprache, und Danu fragte ihn nach seiner Herkunft.
»Wir sind vor zwei Jahren von unserer Heimat in Dumnonia fortgezogen. Wir mussten fort.«
Er sagte es traurig, und Danu sah ihn prüfend an. Dann schloss sie plötzlich die Augen und schwieg.
Als sie wieder aufsah, waren die beiden Kinder verschwunden, Danu aber weinte. Sie weinte lautlos, und es schien, als ob ein Teil ihrer Trauer mit den Tränen in das reine Wasser der Quelle floss.
Am nächsten Tag brachten ihr Angus und Arian ein Bündel Kleider.
»Wir bitten Euch, wieder in das Dorf zurückzukommen. Conall, der Druide, ist zu einer langen Reise aufgebrochen, und wir brauchen Euch, Herrin. Er bittet Euch, dies anzunehmen. Und er … er hatte eine seltsame Botschaft. Aber ermeinte, Ihr würdet schon verstehen. Er weiß, dass Ihr ihm nicht verzeihen könnt, aber er bittet Euch, die Gabe nicht versiegen zu lassen.«
Danu breitete das weiße, lange Gewand aus, und aus dem Stoff fiel ein goldener Torques. Ein zierliches Muster aus Schleifen und Kreisen umgab den Reif und endete in zwei Katzenköpfen mit aufgestellten Ohren und funkelnden grünen Augen.
»Ja, Kinder, ich habe lange genug in der Einsamkeit verbracht. Es ist an der Zeit, zurückzukehren und meine Aufgabe zu übernehmen. Lasst mein Haus richten.«
Ich wachte aus meinem Traum sachte auf, aber ließ die Augen noch eine Weile geschlossen, um die Bilder nachwirken zu lassen und mir alles genau einzuprägen. Es war ein guter Traum gewesen, nicht zu nahe, doch detailliert genug, um
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