Die keltische Schwester
alles zu verstehen. Ich war froh, dass ich nicht wieder in die Person Danu geschlüpft war, denn ihren noch immer vorhandenen Schmerz hätte ich noch nicht ertragen können. Vermutlich würde ich ihn nie ertragen.
Morgen würde ich Beni die neue Entwicklung der Dinge erzählen! Ich freute mich geradezu darauf. Aber jetzt war es Zeit, endlich ins Bett zu kriechen. Ich schlug das Buch vorsichtig zu, doch dann fiel mein Blick doch noch auf eine Seite. Ich konnte es nicht ändern, ich musste sie mir wenigstens noch kurz ansehen. Sie war anders im Stil als das Book of Durrows und das Book of Kells. Ich suchte die Bildunterschrift.
»Teppichseite aus dem Book of Lindisfarne.«
Es traf mich wie ein Schlag.
Ich glaube, ab diesem Zeitpunkt war ich bereit, das Unmögliche zu akzeptieren.
Knoten 3. und 4. Faden
»Fesch sehen Sie aus!«
»Fesch? Na, ich trag doch kein Dirndl!«
Susi Meister hatte den Kopf schräg gelegt und schnippte beifällig mit den Fingern.
»Na, wissen Sie, ich hatte schon fast gedacht, weil Sie immer in diesen graubeigebraunen Sachen rumliefen, würde sich da so eine geistige Verwandtschaft mit dem Miefkäse Schweitzer entwickeln. Aber das da hat was, echt!«
Eine erschreckende Botschaft, die Susi da so beiläufig rüberbrachte. Das galt es wahrhaftig zu bedenken. Aber zumindest heute hatte ich wohl dann ihren Beifall errungen. Ich war auch ganz zufrieden. Seit Teresas imposantem Auftritt hatte ich vier Tage überlegt und mich schließlich dazu durchgerungen, endlich mal das Seidentuch zu verwenden, das Beni mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Es war in Grün- und Blautönen gehalten und mit feinen Goldfäden durchzogen. Beni hatte gestrahlt, als ich es am Morgen zu einem schwarzen Rock und einem schlichten weißen Pullover umband.
»Doch nicht so tuttig, Oma. Lass mich mal.«
Sie hatte es gegen meine Vorstellungen zu einer voluminösen Schleife gebunden, die sie an meiner Schulter befestigte.
»Bisschen dramatisch, findest du nicht?«
»Du hast doch einen dramatischen Auftrag.«
»Wenn du meinst. Aber es sieht wirklich toll aus.«
»Ich überdenke ja auch schon meine Sommergarderobe. Ich vermute, wenn wir beide zusammen einkaufen gehen, wird sie einige ausgefallene Farbtupfer erhalten.«
»Ohh, da nehmen wir Teresa mit, die ist einen Tick dezenter als ich.«
»Ernsthaft?«
»Ja, doch. Ach, du nimmst mich auf den Arm. Ich weißschon, dass mein Geschmack für dich zu jugendlich ist. Und Teresa ist schließlich dreiundvierzig.«
Diese Bemerkung zerlegte ich besser nicht in ihre unterschiedlichen beleidigenden Bestandteile.
Jedenfalls hatte ich also bei Susi meinen ersten Erfolg. Meinen zweiten hatte ich bei Wulf. Allerdings eher indirekt. Seit meiner Grippe hatte ich jeglichen informellen Kontakt vermieden, obwohl er ein, zwei Versuche gestartet hatte, mich zu sich einzuladen. Jedenfalls wurde ich diesen Freitag Zeuge einer interessanten Entwicklung. Ich stand auf dem Gang am Kopierer, als Karola, die jetzt immer überaus pünktlich um halb eins die Firma verließ, aus ihrer Bürotür kam. Wulf trat gleichzeitig aus seinem Zimmer und rief ihr nach: »Dann bis morgen Nachmittag, Karola!«
»Ach ja, Wulf, bis morgen. Wir freuen uns ja schon sooo, dass du uns besuchen kommst. Jessika-Milena wird hingerissen sein. Ciao-Ciao!«
»Kindergeburtstag, Wulf?«
»Eine Geste, Lindis. Du hast ja am Wochenende keine Zeit mehr für mich.«
Sprach’s und verschwand. Das war also seine Form, mich eifersüchtig machen zu wollen. Ich befürchtete allerdings für ihn, dass es sich um einen Schuss ins Knie handeln könnte. Noch hatte er Jessika-Milena nicht kennengelernt.
Ich nahm meine Kopien und wollte im Sekretariat den Verteiler anmarkern. Susi kicherte haltlos.
»Was ist los, Meisterin?«
»Karola baggert auf Ihrem Terrain, was?«
»Wie bitte?«
»Sie gräbt den Göttlichen an.«
»Wen?«
»Nun stellen Sie sich doch nicht so dumm. So ein kleinesbisschen Gefühl für die unterirdischen Strömungen müssen Sie mir schon zutrauen. Vor mir hält man nichts geheim.«
Ich hatte rosige Öhrchen, ich weiß es.
Susi kicherte noch mehr.
»Ist ja auch ein lecker Häppchen, unser starker Wolf. Wenn da nicht Kevins Vater wäre, könnt ich selbst in Versuchung kommen.«
»Halten Sie sich an Kevins Papa.«
»Doch nicht so ein Zuckerstückchen, der hübsche Herr Daniels?«
»Hat raue Stellen im Fell!«
»Kevins Papa auch. Er kriegt sie gerade gekämmt.«
Es war zwar unhöflich, aber da wir gerade
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