Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
sehen. Sie wollten nur den Friedenswächtern eins auswischen.«
»Ha. Davon träumt, glaube ich, jeder.«
»Es war nicht immer so ...« Kai starrte durch die Glaskuppel in die Finsternis.
Endriel beobachtete sein Spiegelbild im Geisterkubus. Sein plötzlicher Stimmungswechsel entging ihr nicht. Sie ließ das Schiff einen erneuten Schlenker gen Osten machen. »Was meinst du?«
Kai sah auf. »Die Friedenswächter. Früher haben die Leute sie respektiert, statt gefürchtet. Damals waren sie Berater und Beschützer. Heute dagegen sind sie eher eine Art Gefängsnisaufseher. Sie sind die älteste Institution auf ganz Kenlyn und dadurch, dass der Pakt von Teriam ihnen die Kontrolle über die Hinterlassenschaften der Sha Yang zusichert, auch die mächtigste. Damals hatte das Volk diese Streitmacht unter Kontrolle. Heute untersteht sie nur einem einzigen Geschöpf.«
»Syl Ra Van.« Endriel versuchte, sich auf das Steuer zu konzentrieren. »Aber was will man machen? Es ist immerhin schon seit über dreihundert Jahren so, seit dem Zweiten Schattenkrieg, als sie die letzen Sha Yang ausgelöscht haben.«
»Ja. Aber was war davor? Vor dem Krieg?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Soweit ich weiß, hatten vorher die Großadministratoren der Friedenswächter die Macht. Und sie wurden vom Volk direkt gewählt. Aber die Wahlen wurden manipuliert, viele Administratoren waren korrupt. Angeblich standen auch einige von ihnen auf der Lohnliste des Schattenkaisers. Zumindest habe ich es so in der Schule gelernt.«
»Genau wie ich und jeder andere«, sagte Kai ernst. »Aber glaubst du daran?«
»Nicht eine Sekunde.«
»Ich auch nicht. Früher haben die Friedenswächter nur das getan, was ihr Name besagt: über den Frieden gewacht. Sie schritten nur ein, wenn es größere Konflikte gab. Heute kontrollieren sie unter der Führung von Syl Ra Van alles: die Währung, den Handel, die Straßen, die Artefakte. Wenn der Pakt von Teriam es nicht ausdrücklich verbieten würde, hätte der Gouverneur sogar jedes einzelne Nexus-Portal für normale Bürger sperren lassen.«
»Das würden die Völker nicht zulassen. Es würde Proteste geben, denen sich selbst Syl Ra Van beugen müsste.«
»Ja. Im Augenblick. Aber vielleicht gibt es irgendwann in der Zukunft einen Krieg, der extreme Maßnahmen erfordert, um die Völker zu schützen.«
»Das ist paranoid, ich hoffe, du weißt das.«
»Natürlich. Aber man hat mich gelehrt, dass es niemals schaden kann, die Motive der Mächtigen zu hinterfragen.« Er stand auf und stellte sich neben Endriel, sodass sie gleichzeitig ihn und die Kontrollen im Auge behalten konnte. Allerdings machte er sie damit nur noch nervöser. Sie hatte das Gefühl, einen elektrischen Schlag zu bekommen, wenn er sie jetzt berührte. Komm schon, reiß dich zusammen. Er ist doch nur ein Kerl!
»Aber ohne Syl Ra Van wären heute wahrscheinlich die Schattenkaiser an der Macht.« Ihr Tonfall machte deutlich, dass sie nur brav wiederholte, was ihre Lehrer ihr beigebracht hatten. »Allein Syl Ra Vans Wissen und seiner gelegentlichen Gabe der Voraussicht haben wir es zu verdanken, dass der Anführer des Kults, der letzte Schattenkaiser ... Ruk... Rulka – ach verdammt, ich vergesse immer seinen Namen!«
»Rul’Kshura« half Kai ihr aus.
»Genau – dass Rul’Kshura und seine Hintermänner gefasst und eingesperrt wurden.« Ernster fügte sie hinzu: »Was natürlich die Sha Yang auch nicht wieder lebendig gemacht hat.«
Kai senkte den Blick. »Leider nein.« Dann sah er sie an. »Aber was hat den Kult so mächtig gemacht?«
Endriel forschte in ihrem Gedächtnis. Geschichte und Politik gehörten eigentlich nicht zu ihren Lieblingsthemen, aber sie wollte Kai beweisen, dass sie nicht auf den Kopf gefallen war. »Nun, sie waren eine Geheimorganisation und haben die richtigen, das heißt, die einflussreichen Leute auf ihre Seite gezogen. Sei es durch Überzeugung, Erpressung, Korruption oder Gedankenmanipulation. Außerdem hatten sie eine Menge tödlicher Maschinen und Drachenschiffe unter ihrer Kontrolle. Das hat sie zu einer echten Bedrohung gemacht. Bis unser geliebter Syl Ra Van und seine loyalen Friedenswächter ihnen das Handwerk legen konnten.«
Kai nickte. »Genau wie es in jedem Geschichtsbuch steht. Aber woher hatten sie die Artefakte und woher kam das Wissen, wie man sie benutzt?«
Er zielte auf etwas Bestimmtes ab, so viel war Endriel klar. »Tja, es heißt immer, der Kult hätte sie von Te’Ra mitgebracht, als damals
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