Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
beide verändert während unserer Reisen. Wir sind erwachsen geworden. Vielleicht mache ich mir auch nur etwas vor – aber ja. Ich glaube, ich liebe sie noch.«
»Ich hoffe, du siehst sie wieder.« Endriel hörte ihre eigene Stimme wie aus weiter Ferne. Ein Kloß steckte in ihrem Hals. Er ist nur ein Kunde, verdammt! Nur ein Kunde, nicht mehr! Und wenn eure Reise zu Ende ist, wird er sich sowieso den Weißmänteln ausliefern. Du wirst ihn niemals wiedersehen. Also nimm endlich Vernunft an, bevor dir zum zweiten Mal dein Herz gebrochen wird! Sie schloss die Augen. Nur ein Kunde. Denk lieber an das Geld. Und sei verdammt nochmal froh, wenn du aus dieser ganzen Sache heil herauskommst! Nur ein Kunde ...
Plötzlich hörte sie eine träge, nasale Stimme aus dem Inneren ihres Mantels. Der Kubus! Sie zog das Artefakt hastig aus der Tasche. Xeahs beeindruckender Schädel hatte sich darin geformt. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Mundwinkel deuteten nach unten.
Sie wirkte nicht sehr glücklich.
Da ist etwas ... Kerus Ohren zuckten. Er blieb bewegungslos stehen, hielt den Atem an und lauschte. Etwas war auf dem Weg hierher. Etwas Großes. Er sprang auf alle Viere und sprintete wie ein Gepard zu dem Delphin-Brunnen, auf dem Endriel und Kai saßen. Verflucht, ich wusste, dass so etwas passieren würde!
»Xeah, was ist los?«, fragte Endriel. Kai blickte zusammen mit ihr in den Geisterkubus.
Doch Xeah konnte sie nicht hören. Wie auch, der Kristall besaß keinen Aufzeichner. »... Schiff ist auf dem Weg nach Kirall. Es wird jeden Moment über euch sein. Ihr müsst sofort die Stadt verlassen, hörst du? Verlasst sofort die Stadt. «
Es geschah alles gleichzeitig:
»Ach du Scheiße!«, keuchte Kai plötzlich – ein dunkles Röhren ertönte aus dem Himmel – Endriel riss ihren Blick hoch: Ein Schatten hatte sich über den Brunnen gelegt, über den Roter-Mond-Boulevard, über die ganze Stadt.
Keru baute sich vor den beiden auf. »Sie sind hier! Wir müssen verschwinden!«
Endriel nahm den Skria gar nicht wahr. Erstarrt blickte sie zu dem gewaltigen, mechanischen Raubvogel, der sich mit ungeheuren Schwingen vor die Sonne gelegt hatte. Vier saphirblaue Flammen leuchteten am Himmel. Die Dragulia , erkannte sie. Es ist vorbei. Andar hat uns gefunden.
In der Sekunde dröhnte die dunkle, kräftige Stimme eines Menschen über den Boulevard. Sie schien aus allen Richtungen zu kommen: » Hier spricht Admiral Andar Telios vom Friedenswächterschiff Dragulia ...«
»Wir müssen los!« drängte Keru.
»Ich richte mich an die Bürger von Kirall ...«
»Endriel!« Kai packte ihre Hand und riss sie vom Brunnen hoch. »Wir müssen hier weg!«
Sie nickte, warf die kandierten Früchte fort und ließ sich von ihm mitziehen. Immer wieder sah sie sich zu der Dragulia um, die wie ein wütender Gott über der Stadt thronte.
»Im Namen von Gouverneur Syl Ra Van halte ich Sie an, den Orden der Friedenswächter auf der Suche nach diesen beiden Individuen zu unterstützen ... «
Sie waren die einzigen, die sich bewegten. Überall auf dem Roter-Mond-Boulevard waren die Bürger stehengeblieben, starrten und deuteten auf das riesige Drachenschiff. Aufgeregtes Murmeln ertönte. Niemand hatte Augen für die Flucht von Kai, Endriel und Keru.
»Hinweise zu ihrer Festnahme werden mit sechstausend Gonn belohnt. Ich wiederhole: Im Namen von Gouverneur Syl Ra Van ...«
Sie hetzten über den Boulevard, zurück in die Richtung aus der sie gekommen waren. Keru schlug die Bresche für Endriel und Kai indem er gewaltsam Bürger zur Seite stieß, die erst wie Ölgötzen herumstanden und ihm danach wild hinterherfluchten. Endriel wünschte sich, er würde das nicht tun, es erregte zu viel Aufmerksamkeit. Vielleicht wäre es klüger, einfach ruhig stehenzubleiben und sich unter die gaffende Menge zu mischen. Aber damit riskierten sie, sich den Weißmänteln wie auf dem Silbertablett zu servieren. Außerdem vertraute sie Kerus Instinkt. Wenn der Krieger der Meinung war, dass Flucht im Augenblick das Beste war, gab es keinen Grund, ihm zu widersprechen.
Der festgetretene Schnee auf dem Pflaster war gefährlich glatt; Endriel strauchelte, doch Kai hielt sie fest, bevor sie stürzte. »Wie haben sie uns gefunden?« Die Kapuze war ihm vom Kopf gerutscht, aber das war wohl mittlerweile egal.
»Keine Ahnung.« Endriel schnappte nach Luft. »Was zum ...?«
Sie brach ab, als Keru ihnen plötzlich wieder entgegenhetzte. Im Lauf packte er ihren Arm. Bevor er
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