Die Ketzerbibel
Catherine? Oh!» Laura glaubte zu verstehen. «Ist es endlich so weit? Ich habe schon gedacht, dass ihr nie heiraten wollt. Immer stand etwas im Wege: Erst hat Carolus so lange studiert, dann waren die Sterne nicht günstig, dann ist unser Vater gestorben, dann wolltest du noch Zeit haben …», plauderte Laura.
Ja, sie hatten es stillschweigend hinausgezögert. Zu lange?
«Ich erwarte, dass er mich heute fragt», sagte Catherine. Sie hoffte es. Ein schönes Mahl, dann ein Spaziergang im Garten und dann … Das würde allen Gerüchten ein Ende machen.
«Liebes, ich freue mich so!»
Carolus kam zu spät.
«Ein Patient! Ich wurde aufgehalten», entschuldigte er sich und pickte Catherine ein pflichtschuldiges Küsschen auf die Wange. Die gute alte Catherine. Sie war ihm so vertraut wie ein Paar bequemer Schuhe. Dass sie ein besonderes Kleid angezogen hatte ihm zuliebe, das fiel ihm gar nicht auf. Während des Essens sprach er mit Marius über lauter langweilige Dinge: über den Ausbau des Hafens, die Salzsteuer, ein geplantes neues Hospital. Beim Nachtisch ging es um ein neues Gesetz. Laura schützte schließlich Müdigkeit vor, nahm Marius bei der Hand und zog sich in den oberen Stock zurück.
«Wir müssen den beiden die Gelegenheit geben, ein wenig allein zu sein miteinander», lächelte sie.
Unten sah Catherine Carolus lange an. Er fühlte sich ganz unwohl unter ihrem Blick.
«Was ist?», fragte er.
«Das sollst du mir sagen. Habe ich etwas getan, das dich gekränkt hat? Ich sehe dich so selten», sagte Catherine.
«Ich hatte viel zu tun.»
«Ach ja? Im Beginenhof?», entfuhr es Catherine. Ihr Ton war schärfer, als sie es geplant hatte.
«Ist das ein Verhör?», antwortete Carolus, und dann: «Verzeih, Catherine. Du hast ja recht. Ich war oft dort.»
Catherine wusste: Auf diesem Wege konnte es nur zu Streit kommen. Das wollte sie auf keinen Fall. Stattdessen holte sie tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen: «Carolus, wir sind einander so lange schon versprochen. Sollten wir nicht allmählich etwas deswegen tun?»
Er missverstand es und sah sie überrascht an, überrascht und erleichtert: «Ach Catherine! Du empfindest es also auch? Dass wir nicht füreinander geschaffen sind? Ja, ich denke es auch. Ich habe es nur nicht sagen wollen, weil ich dich nicht als Freundin verlieren will. Ich schätze dich und …»
Die Schüsseln auf dem Tisch klirrten, ein Becher fiel um. Wein floss auf den gefliesten Boden. Catherine war aufgesprungen.
«So ist es also wahr? Du hast etwas mit dieser Begine, mit dieser Italienerin? Wie kannst du nur? Die ganze Stadt lacht über mich und mein blindes Vertrauen: arme Catherine, dumme Catherine!»
Carolus stand ebenfalls auf. «Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Du hast mir nichts vorzuwerfen. Sie ist nur eine Patientin. Es ist nichts zwischen ihr und mir!» Und im selben Augenblick, da er dies ausgesprochen hatte, da spürteer einen ziehenden Schmerz in der Brust – ‹dort sitzt also die Seele, nicht in der Lunge›, sagte ihm fachmännisch sein Verstand. Ja, es war tatsächlich nichts zwischen ihm und Danielle, und das schmerzte ihn mehr als irgendetwas.
«Catherine, sei vernünftig. Das ist deiner nicht würdig! Du liebst mich nicht und ich liebe dich auch nicht. Lass uns die Verlobung auflösen, dann bist du frei und kannst dir einen Mann nach deinem Geschmack suchen. Ich kenne Dutzende, die sich glücklich schätzen würden …»
«Aber nicht du! Du willst dich nicht binden, willst keine Verantwortung tragen. Du willst es lieber mit dieser schamlosen Papelarda treiben ohne Bindung und ohne Anstand, wie ein Tier auf dem Feld!»
«Catherine!», schrie Carolus. «Du vergisst dich! Was hast du nur mit diesen braven Beginen? Sie sind fromm und grundanständig. Ja, sie haben sogar Keuschheit geschworen.»
«Nichts haben sie geschworen! Das ist es ja eben. Sie halten sich alles offen!»
‹Ja, das ist wahr›, dachte er. ‹Eigentlich ist sie ja frei zu tun, was sie will. Ach, aber das ist es ja: Sie will mich nicht.›
«Catherine, ich gehe jetzt besser. Ich schwöre dir, du hast keinen Grund, die Beginen so zu schmähen! Danielle hat dir kein Unrecht getan, sie hat sich nie anders als sittsam und ehrenwert betragen. Über unsere Angelegenheit reden wir ein anderes Mal, wenn du dich beruhigt hast.»
Er verließ das Haus. Catherine trocknete ihre Augen und litt still vor sich hin. Vor ihrer Schwester und Marius ließ sie sich nichts anmerken. Dafür
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