Die Ketzerbibel
paar Tagen wieder frei.»
«Mich werden sie ersäufen», seufzte die Mörderin, «aber ihr zwei werdet brennen, und das ist viel schlimmer, habe ich gehört. Was habt ihr getan?»
«Wir haben den Menschen von Jesus erzählt», sagte Barbara.
«Ach, solche seid ihr? Ketzerinnen!», riefen die Huren, bekreuzigten sich und wollten nichts mehr mit ihnen zu tun haben.
Schon nach zwei Tagen wurden sie vor einen Inquisitor geführt.
«Die haben es aber eilig mit euch!», murrte die Mörderin. «Mich lassen sie hier schon seit Wochen faulen!»
Man brachte sie in ein Amtszimmer im Bischofspalast. Die Büttel schoben sie durch eine Tür in einen Raum, dessen Wände mit dunklem Holz getäfelt waren. Da standen kostbare Möbel, Truhen, bemalt und mit Perlmutt eingelegt, und reichgeschnitzte Stühle, doch die waren nicht für sie bestimmt. Die beiden Frauen hatten stehen zu bleiben.
Danielle entdeckte ein Tryptichon an der Wand, ein Gemälde mit drei Bibelszenen von großer Eindringlichkeit: In der Mitte das Jüngste Gericht mit Gottvater, der Bischof Rostaing ähnlich sah, zur Linken ein umwölktes Himmelreich mit selig lächelnden Gläubigen, und zur Rechten sah man Jammergestalten in den Abgrund der Hölle fallen. Von unten schien das Höllenfeuer und tauchte die Gesichter, die schreckweit aufgerissenen Augen, die schreienden Münder in blutrotes Dämmerlicht. Unten warteten die Teufel mit aufgerichteten Spießen, Folterinstrumente in den Krallen.
«Eure Namen? Woher kommt ihr?», fragte man sie streng.
«Barbara Grandjean aus Toulouse.»
«Dan … Alessa di Ruggieri», gab Danielle an. «Ich stamme aus Neapel.»
Der Protokollant stand an einem Pult und schrieb alles säuberlich auf. Die Inquisition war ordentlich und gewissenhaft.
Der Inquisitor Eberhardus selbst war ein Mann von mittleren Jahren, ein wenig schwammig um die Körpermitte, wo eine breite seidene Schärpe saß. Er hatte ein freundliches, fast gütiges Gesicht.
«Und was haben wir denn da?», fragte er bekümmert.«Welcher von euch gehört das? Wo habt ihr es her?» Vor ihm lag ein Buch. Danielle erkannte es sofort, sie hatte es selbst kopiert. Es war ein Exemplar des «Spiegels der einfachen Seele» von Marguerite Porete, die Anne den Toulouser Schwestern gegeben hatte.
«Das haben eure Knechte Maria gestohlen, meiner Schwester im Herrn Jesu, die sie ermordet haben!», stieß Barbara hervor. «Diese Hunde, diese Mörder, Vergewaltiger, Schweine, die sich im Blut des Volkes suhlen, die friedliche unbewaffnete Religiosen überfallen und verschleppen für ein paar Silberlinge!»
«Na, na! Wir wollen doch nicht übertreiben.» Der Inquisitor schnalzte mit der Zunge und redete zu Barbara wie zu einem ungehorsamen Kind. «Niemand wurde ermordet. Wir morden nicht. Haben die Soldaten des Heiligen Vaters euch etwa verletzt oder unsittlich berührt? Nein. Und wenn eure Schwester zu Schaden kam, dann nur, weil sie sich ihrer rechtmäßigen Verhaftung widersetzte und einer Hochstaplerin und gefährlichen Lügnerin zur Flucht verhalf. Und was dieses ketzerische Buch betrifft …»
«Die Zunge soll Euch verfaulen! Es ist ein Buch, so heilig wie die Bibel!», unterbrach ihn Barbara.
«Eine Ketzerbibel! Die verworfen wurde! Wer sie besitzt, ist so gut wie exkommuniziert. Das wisst ihr doch», sagte der Inquisitor.
«Barbara …», versuchte Danielle sie zu beruhigen.
Doch diese schüttelte ungeduldig Danielles Hand ab. «Siehst du nicht, dass sie uns bereits verurteilt haben? Es ist ganz gleich, was wir sagen oder wie wir uns verhalten – sie werden uns auf den Scheiterhaufen schleppen! Aber das ändert gar nichts! Ihr werdet unseren Körper vernichten und die Seele befreien, eine weitaus reinere Seele als Eure eigene, Herr Inquisitor. Ihr seid es, der vor Angst erzitternmuss! Und Euer Papst kann exkommunizieren, soviel er will! Er hat seine Macht über unsere Seelen verloren! Nichts, was er sagt und tut, hat eine Bedeutung für uns», rief Barbara und machte dem Inquisitor mit zwei gegabelten Fingern das Teufelszeichen. Doch der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. «Dann bekennst du dich der Häresie schuldig. Das vereinfacht die Sache und erspart dir die Peinliche Befragung. Gut. Gibst du zu, auf öffentlichen Plätzen gepredigt zu haben, dass die Menschen dem Papst nicht gehorchen müssen, weil er der Antichrist sei?»
«Ja!»
«Und was ist deine Ansicht über die Apokalypse?»
«Sie steht bevor und wird kommen, und dann wird ein großer
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