Die Ketzerbibel
hellrotes Blut sprudelte hervor. «Ihr bekommt sie nicht», las Danielle von ihren Lippen ab. «Jesus schützt sie.»
Der Dorfpriester trat aus der Kirchentür, hinter der er sich versteckt gehalten hatte.
«Sie stirbt!», sagte Danielle. «Rasch! Gebt ihr die Letzte Ölung!»
«Nein! Sie ist eine Ketzerin!», sagte der Priester, und auch Maria wehrte ab. Hasserfüllt sahen die beiden sich an, der Priester und die Begine.
«Sie braucht eure entweihten Sakramente nicht!», schrie Barbara zornig.
«Fahr zur Hölle!», sagte der Priester.
«Nein, die ist solchen wie dir vorbehalten!», rief Barbara. Einer der Söldner gab ihr eine Ohrfeige. Sie lachte.
Maria starb kurz darauf.
«Was sollen wir mit ihr machen?», fragte einer der Männer.
«Nicht auf den Friedhof! Sie hat keinen Platz in geweihter Erde.»
«Dann verscharrt sie am Dorfrand oder macht mit ihr, was ihr wollt. Ihr da!» Der Hauptmann rief zu den Dörflern hinüber, die ihre Toten wegtrugen. «Nehmt die da mit. Euch lag ja so viel an ihnen.» Sie kamen und ergriffen Marias Leichnam an Händen und Füßen. Barbara betete.
Vergeblich suchten die Söldner die Gegend nach Prous Boneta ab. Sie war ihnen entwischt.
«Wir sind unwichtig», belehrte Barbara den Hauptmann. «Sie allein war von Gott gezeichnet. Dass sie euch entkommen ist, trotz all eurer Stärke und eurer Waffen, das zeigt, dass wir im Recht sind und ihr im Unrecht. Zittert vor Gottes Zorn!»
Dem Mann war nicht wohl in seiner Haut.
«Hör auf zu predigen, Weib. Davon verstehe ich nichts. Ich tue, was mir aufgetragen ist. Mit diesem religiösen Händel habe ich nichts zu schaffen», verteidigte er sich.
«Und doch dienst du dem Antichrist», beharrte Barbara. «Glaubst du etwa, du könntest dich beim Jüngsten Gericht mit Pflicht oder Gehorsam herausreden? Du sollst niemandem gehorchen außer Gott.» Er antwortete ihr nicht.
«Lass mich deine Wunde versorgen», sagte Danielle zu dem Hauptmann.
«Und wie weiß ich, dass du mich nicht vergiftest? Du bist doch eine von denen.»
«Ich bin dieser religiösen Streitigkeiten genauso leid wie du, Soldat. Ich bin Heilerin von Beruf und sehe es nicht gern, wenn Menschen zu Schaden kommen, aus welchem Grund auch immer», sagte sie leise.
«Dann bist du aber eine merkwürdige Begine», brummte er, ließ es sich aber gefallen, dass sie ihm die Wunde mit gekochtem Wein auswusch.
«Au! Teufel! Das brennt», rief er.
«Besser ein wenig brennen jetzt, als dass es sich infiziert und du den Arm verlierst.»
Sie öffnete ihre Gürteltasche und entnahm ihr ein Briefchen mit einem weißlichen Pulver, das sie auf die Wunde streute. «Lass mich das morgen noch einmal anschauen.»
«Danke», sagte er.
Danielle versorgte auch die Verletzten des Dorfes. Drei hatten Schwerthiebe, einige gebrochene Glieder und Prellungen davongetragen.
«War sie wirklich eine Gesegnete, diejenige, die entkommen ist?», fragten sie Danielle verunsichert.
«Möglich ist es schon», erwiderte sie. «Ihr Name ist Prous Boneta. Vielleicht werden wir eines Tages von ihr hören.»
Am Morgen darauf brachen sie auf. Der Dorfschmied musste die beiden Beginen in Ketten legen. Zu Fuß gingen sie neben den Pferden ihrer Bewacher her.
«Wohin bringt ihr uns?», fragte Barbara.
«Nach Toulon. Dort werdet ihr vor ein Kirchengericht gestellt. Wir suchen schon seit ein paar Wochen nach euch.»
Bei der Mittagsrast sah sich Danielle die Wunde des Hauptmanns noch einmal an. «Es heilt schon», sagte sie. «Am besten ist es, wenn es an der Luft verschorft. Die Wunde darf nicht zu fest abgeschlossen sein. Ich binde nur ein paar Wegerichblätter darüber, damit die Fliegen nicht darankommen.»
Er bewegte den Arm probeweise. «Du scheinst dein Handwerk zu verstehen», sagte er anerkennend.
Sie nickte nur. Nach und nach kamen auch die anderen Söldner zu ihr und ließen sich versorgen.
«Du scheinst ja ganz in Ordnung zu sein. Es ist eine Schande, dass wir dich abliefern müssen», sagte einer von ihnen. «Aber wir haben nun mal unsere Befehle. Mit gefangen, mit gehangen.»
«Lasst sie nur laufen. Sie war ohnehin nicht wirklich eine von uns», sagte Barbara verächtlich.
‹Nein›, dachte Danielle. ‹Wie es scheint, gehöre ich zu niemandem.› Aber sie blieb angekettet und musste weiter mit den Söldnern ziehen.
In Toulon sperrte man sie in einen Kerker, zusammen mit zwei Huren und einer Frau, die ihren Mann vergiftet hatte.
«Ihr Armen», sagten die Huren, «uns lassen sie in ein
Weitere Kostenlose Bücher