Die Ketzerbibel
einer Krone bedeckt.
«Ab omni malo libera nos, Domine, ab omni peccato, ab insidiis diaboli, ab ira et odio et omni mala voluntate!»
Der Abbé schleuderte Danielle vor dem Becken auf den Boden. Sie landete schmerzhaft auf den Knien und stützte sich mit beiden Händen ab. Die Beginen bekreuzigten sich, einige stöhnten vor Angst oder seufzten vor Mitleid, andere beteten laut mit dem Abbé.
«Christe audi nos!»
Beide Hände und die gesamte Kraft seiner Arme musste er einsetzen, um den schweren Deckel vom Taufbecken zu heben. Er verbreitete einen Missklang, als er schwer auf dem Boden aufsetzte, wie eine zerborstene Glocke.
«Christe exaudi nos!»
Wieder griff der Priester nach der kauernden Begine – «Kyrie eleison!» – und zog sie am Kragen ihres Kleides hoch wie eine ertappte Diebin. Vor Schreck und Angst war sie gelähmt. Ihre Muskeln, ihre Knochen wurden zu Milch in ihrem Leib. Aber es gab keinen Ausweg, nichts, was sie hätte tun können.
Der Abbé versetzte ihr einen Schlag auf den Hinterkopf.
«Neige dein hoffärtiges Haupt, Sünderin!», zischte er.
Juliana trat einen Schritt vor, und ihre Hände zuckten, als wolle sie eingreifen. Auch einige andere Beginen hatten die Hände erhoben. Doch Calixtus, der vor ihnen stand, dem Priester zunächst, breitete die Arme aus und hielt die Menge zurück.
«Christe eleison!»
Ehe Danielle einen klaren Gedanken fassen konnte, packte der Priester sie im Genick und drückte ihr Gesicht unter Wasser. Einen Augenblick wehrte Danielle sich, doch dann ließ sie es geschehen. Es war eine Probe, die sie durchstehen musste, koste es, was es wolle, und sie bekämpfte den Instinkt, sich zu wehren, obwohl sie größer und stärker als der Priester war. Unter Wasser wurde der Drang einzuatmen immer stärker, schließlich fast übermächtig. Und immer noch ließ Grégoire sie nicht los, sondern drückte ihr Gesicht weiter unter Wasser, länger und länger. Die Unmöglichkeit, Atem zu holen, erfüllte sie mit heftiger Angst, der Puls hämmerte in ihren Ohren.
«Im Namen Jesu und im Namen Mariä befehle ich euch, ihr höllischen Geister, weichet von dieser und waget nicht wiederzukehren und sie zu versuchen und ihr zu schaden. Jesus! Maria! Jesus! Maria! Jesus! Maria! Heiliger Michael, streite für uns! Heilige Schutzengel, bewahret uns vor allen Fallstricken des bösen Feindes!»
Die Stimme des Abbés mit seinen Gebeten hallte mächtig unter dem Kirchendach. Entsetztes Raunen und Jammern kam von den Schwestern. Einige Zuschauer glotzten mit weitaufgerissenen Augen, andere hatten die Hände vor die aufgerissenen Münder gelegt; manche bissen sich in Fäuste oder Lippen oder weinten.
In Danielles Ohren war ein gewaltiges Sausen; ihre Lungedrohte zu bersten. Blitze und Lichtfunken explodierten vor dem Inneren ihrer Augenlider. Die Kraft verließ sie. In diesem Augenblick ließ der Abbé ihren Nacken los. Hustend und nach Luft ringend kam sie hoch. Doch schon packte er sie wieder und stieß sie wieder hinein.
«Weiche, Dämon! Verlasse dieses Haus!»
Dreimal wiederholte er die Prozedur, bis Danielle das Bewusstsein schwand. Alles drehte sich um sie. Ihre Lungen brannten wie Feuer, und sie sah nur noch Dunkelheit.
«So ist es also zu sterben», dachte sie. In diesem Augenblick fühlte sie sich losgelassen aus dem Klammergriff. Ihr Kopf schnellte hoch aus eigenem Antrieb; sie riss den Mund weit auf, holte Luft in krampfartigen, laut röchelnden Zügen, während ihr Körper am Rand des Taufbeckens entlang dem Boden entgegenglitt. Dort fiel sie auf die Knie und verharrte vornübergekrümmt, bis sich ihr Herzschlag beruhigte.
Immer noch hielt Calixtus die Arme weit ausgebreitet. Seine Lippen bewegten sich in leisem Gebet.
Danielles Gesicht war dunkelrot. Das Wimpeltuch hatte sich gelöst und schwamm aufgebläht auf der Oberfläche des Taufwassers. Wasser troff aus ihren Haaren. Sie öffnete ihre blutunterlaufenen Augen und sah zu dem Priester hoch, immer noch schwer atmend.
«Ich trage keinen Dämon in mir», flüsterte sie stockend und rang um Luft. «Bitte glaubt mir: Was immer an Dunklem in meiner Vergangenheit sein mag – ich bin gewiss ein sündiger Mensch –, so bin ich doch festen Willens, es in Zukunft besser zu machen und ein Gott gefälliges Leben zu führen.» Sie hob die Hände vor ihm, geöffnet in bittender Gebärde, in absoluter Demut. «Bitte, ehrwürdiger Vater, gebt mir Euren Segen dazu. Verjagt mich nicht.»
Das harte Gesicht des Priesters
Weitere Kostenlose Bücher