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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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die Rue de la Fontaine de l’Ange und darauf die belebte Rue Saint Jacques entlang, seit die Kirche Saint Nicolas in ihrer neuen Pracht als Hauptkirche fertiggestellt war. Doch heute ließ man die braunen Schwestern in Frieden.
    Selbst Abbé Grégoire war ungewöhnlich gut gelaunt. Er ermahnte seine Gemeinde lediglich, einem Übermaß an Wein zu entsagen, dem Heiligen nicht mit Ausschweifungen Kummer zu bereiten, und entließ sie in den Tag. Schon die ganze Woche hatten die Kinder in den Gassen gezündelt und mussten von ihren Eltern unter Kontrolle gehalten werden. Auf dem Vorplatz der Kirche trugen Bedienstete des Magistrats bereits Stroh und Holz zusammen und schichteten es zu einem gewaltigen Scheiterhaufen auf. Jedes noch sokleine Dorf würde sein eigenes Feuer haben, und da durfte sich die aufstrebende Stadt Pertuis nicht lumpen lassen.
    Nach dem Frühstück stellten die Beginen ihren Stand auf der Place de l’Ange auf.
    Danielle schleppte Stoffballen und fertig Gewebtes, Kleider, bunte Tücher und einen Korb voller Bänder vom Konvent heran. Das Bänderweben war ihr immer ein besonderes Mysterium gewesen. Es sah nach nicht viel aus: ein flaches, viereckiges Hölzchen, über das die Kettfäden gezogen waren. Aber was dann geschah, hatte sie bis heute weder nachahmen noch verstehen können, es ging so flink in Justines Händen. Am Ende kamen die schönsten gemusterten Bänder heraus. Am Stand riss man sie ihnen förmlich aus den Händen, denn einen hübschen bunten Gürtel oder ein Band im Haar konnten sich sogar die Bauersleute leisten.
    «Billiges Zeug! Und die Wolle mit Olivenöl gefettet! In Lyon ist das nicht erlaubt», schnappte eine reiche Bürgerin. Sie nahm einen Stoff nach dem anderen mit spitzen Fingern vom Tisch und ließ ihn wieder fallen.
    «Und warum nicht», wollte Manon erbost wissen. «Olivenöl ist gut, sauber und gesund. Sollen wir das Garn etwa mit Butter weich machen, wie die Flamen? Das stinkt doch!»
    «Hippokrates hat gesagt: Honig innerlich und Olivenöl äußerlich hält jung und schön», murmelte Danielle.
    «Da hört Ihr’s!», rief Manon.
    «Was so eine schon weiß», gab die Bürgerin hochnäsig zurück.
    «Komm, lass uns woanders kaufen», zischte ihre Begleiterin und zog sie am Ärmel fort. «Das ist doch bloß ein Haufen loser Frauenzimmer, die sich als Nonnen verkleiden.»
    Danielle sah ihr mit gerunzelter Stirn nach.
    «Die kommt wieder», verkündete Philippa. «Sie will bloß den Preis drücken. Da muss sie sich aber ranhalten. UnsereStoffe sind hübsch und preiswert. Die gehen weg wie frisches Brot!» Womit sie recht hatte. «Kauft, Leute, und lasst euch nicht lumpen, der Erlös geht an die Armen. Gebt für die Armen, kauft für die Armen! Noch nie war es so angenehm, Gutes zu tun! Kommt! Schaut unsere schönen Stoffe, die bunten Bänder, kunstvoll gewebt! Kauft Leute, kauft für die Armen!»
    «Du bist ja eine richtige Marktschreierin!», sagte Danielle. «Ich könnte das nicht.»
    «Aber die Leute erwarten das. Sie geben mehr Geld aus, wenn sie sich dabei amüsieren», lachte Philippa.
    «Ach je, diesen Kuchen kann man aber nicht verkaufen, der ist ja angebrannt», rief Manon und ließ das anstößige Stück in ihrem Mund verschwinden.
    Ein junges Paar ging vorbei. Das Mädchen warf einen sehnsüchtigen Blick auf die gewebten Gürtel.
    «Na, junger Mann, wollt Ihr Eurem Liebchen nicht etwas Schönes schenken? Es ist zu Eurem eigenen Besten! Wie könnte sie einen anderen umarmen, wenn sie Euren Gürtel in der Taille spürt?!»
    Der junge Mann blieb stehen. Das Mädchen schaute ihn hoffnungsvoll an. Sie hob die Gürtel einen nach dem anderen hoch, besah sich die Muster, prüfte die Länge. Einer stach ihr besonders ins Auge, drei Finger breit, mit einem rotbraunen und gelben Rautenmuster. «Oh, ist der schön!» Sie legte ihn sich um.
    «Was soll er kosten?» Er machte sich offenbar Sorgen um seine schmale Börse.
    «Was Ihr geben wollt, junger Herr», rief Magdalène.
    «Drei
Deniers
?» Das entsprach dem Gegenwert von einem Viertelscheffel Weizen.
    «Was? Drei so kleine Kupferstückchen für die Arbeit eines ganzen Tages und die Wolle und die Farbe dazu? Damit könnenwir nicht die Weberin ernähren, geschweige denn noch einen einzigen Armen füttern!»
    Magdalène zwinkerte Danielle zu. «Kommt schon! Ich kenne Euch! Seid Ihr nicht der Sohn des Salzhändlers Frédéric? Ich glaube doch nicht, dass Euer Herr Vater Euch so knapp hält!»
    Ein Publikum hatte sich

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