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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Getreide ihrer Bauern noch auf dem Halm verkauften, um das Geld für Luxuswaren zu verwenden. Veva hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, denn sie schrieb den Brief, den er ihr zwischen seinen Ausfällen gegen die Hofgesellschaft diktierte. Als sie ihm das Blatt zur Unterschrift vorlegen wollte, verlangte er, ihm noch ein weiteres Kissen in den Rücken zu stopfen und eine flache Unterlage zu holen. Als sie alles zu seiner Zufriedenheit erledigt und ihm den Brief vorgelegt hatte, zitterte er am ganzen Körper und besprengte das Bett mit Tinte.
    Er verfluchte seine Hilflosigkeit und seufzte abgrundtief. »Wenn ich jeden Brief einzeln unterzeichnen muss, wird das eine Quälerei. Das muss ich anders machen. Komm, leg mir ein paar Blätter vor. Ich setze meinen Namen darauf, und dann wirst du den Text darüberschreiben.«
    Veva sagte sich, dass sie mit dem Kranken Geduld haben müsse, und suchte mehrere Papierbogen heraus. Mühsam setzte ihr Vater seine Unterschrift darauf und ließ schließlich die Feder schwer atmend zu Boden fallen.
    »Du wirst jetzt die Briefe hier am Pult aufsetzen und sie unten im Kontor ins Reine schreiben. Das nächste Schreiben geht an den ehrenwerten Jakobus Fugger in Augsburg. Nimm die höflichste Anrede, denn dieser Mann ist nicht nur reich, sondern auch einflussreich. Ich hoffe sehr, dass er Ernst und später auch dir hilft, euch in Augsburg einzuleben.«
    Die Bemerkung ihres Vaters erinnerte Veva daran, dass sie eine verheiratete Frau war. Seit dem Tag, an dem sie und Ernst in
     jener schlichten Zeremonie getraut worden waren, hatte sie jeden Gedanken an ihren neuen Stand und ihren Ehemann beiseitegeschoben.
    »Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ich nach Augsburg reise. Wer soll Euch in der Zwischenzeit pflegen, Herr Vater?«
    »Glaubst du, ich würde nicht mehr gesund?«, fuhr Leibert auf.
    »Doch! Daran glaube ich ganz fest«, behauptete Veva, obwohl sie in Wahrheit sehr besorgt war. Ihr Vater wurde immer häufiger krank und war dann auf ihre Pflege angewiesen. Zwar erhielt sie keinen Dank dafür, sondern wurde zumeist beschimpft, weil sie ihm nichts recht machen konnte. Dennoch wäre sie lieber bei ihm geblieben, als nach Augsburg zu fahren. Dort würde Ernst Rechte von ihr einfordern, die sie ihm nur widerwillig gewähren konnte.
    Weitere Anweisungen ihres Vaters lenkten sie von diesen Überlegungen ab. Obwohl es noch nicht die Originalbriefe waren, schrieb sie das, was er ihr diktierte, mit gestochen scharfer Handschrift auf. Als sie ihm die Blätter vorlegte, damit er den Text noch einmal kontrollieren konnte, blaffte er sie dennoch an. »Kannst du nicht deutlicher schreiben? Deine Buchstaben sehen ja aus, als wäre ein Huhn mit seinen Füßen in ein Tintenfass geraten und wahllos über das Papier getrampelt. Du wirst mir dein Geschreibsel vorlesen müssen!«
    Veva wunderte sich über diesen Ausbruch, las dem Vater aber geduldig die einzelnen Briefe vor und setzte einige seiner Bemerkungen hinzu.
    Als er dann jene Briefe durchsehen wollte, die am Vorabend von Fuhrleuten und Laufburschen anderer Geschäftsleute abgeliefert worden waren, schüttelte er unwillig den Kopf. »Haben jetzt alle Leute das Zittern in den Fingern bekommen? Ich kann das Zeug nicht lesen!«
    »Ich glaube, das liegt weniger an den Briefen als an Euren Augen, Herr Vater. Vielleicht solltet Ihr Euch eine Brille anmessen lassen.«
    »Eine Brille? Pah!« Leibert machte eine verächtliche Handbewegung und befahl Veva, ihm die Schreiben vorzulesen. Danach ließ er sie weitere Briefe schreiben und andere umändern. Der halbe Vormittag war schon vorbei, als er sie schließlich mit der Anweisung entließ, sie solle sich beeilen, weil sie die Geschäftsbriefe noch am gleichen Tag den jeweiligen Boten übergeben müsse.
    »Ich tue mein Bestes, Vater«, versprach Veva und verließ aufatmend das Zimmer.
    Ihr Vater starrte ihr nach und haderte mit sich selbst, weil seine Augen ihn nun auch im Stich ließen. Gewiss würde seine Tochter dumme Fehler machen, anstatt die Briefe genau so zu schreiben, wie er es ihr angeschafft hatte. Alle Weibsbilder waren wirr im Kopf, und er fürchtete, sie würde seine Worte verdrehen oder falsche Adressaten einsetzen.
    »Es wird an der Zeit, dass mein Schwiegersohn das Heft in die Hand nimmt, auch wenn er es vorerst von Augsburg aus tun muss«, sagte er sich und rieb sich die tränenden Augen. Dabei beschloss er, Vevas Rat bezüglich einer Brille zu befolgen.
    Er wollte schon den Schwab rufen, damit

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